Thüringische Landeszeitung (Gera)

Holocaust-Zeuge Max Mannheimer gestorben

Politiker und Vertreter von Religionsg­emeinschaf­ten würdigten den 96Jährigen als eindringli­chen Mahner und großen Versöhner

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MÜNCHEN. Trauer um Max Mannheimer: Der HolocaustÜ­berlebende und Zeitzeuge ist im Alter von 96 Jahren in München gestorben, wie die KZ-Gedenkstät­te Dachau mitteilte.

Mannheimer, der im Zweiten Weltkrieg fast seine gesamte Familie verlor, hielt mehr als drei Jahrzehnte lang mit ungezählte­n Besuchen in Schulen, Vorträgen und Publikatio­nen eindringli­ch die Erinnerung an die Schrecken des Nationalso­zialismus wach. „Ich bin Zeitzeuge und kein Ankläger und kein Richter“, sagte er einmal. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) würdigte Mannheimer als Mahner gegen das Vergessen und großen Versöhner. „Wir schulden ihm Dank“, erklärte sie am Wochenende.

Bundespräs­ident Joachim Gauck erinnerte daran, dass der Verstorben­e vor allem junge Menschen vor den Gefahren von Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit warnen wollte. Mannheimer, „der durch die Hölle mehrerer Konzentrat­ionslager ging, trat unermüdlic­h für Rechtsstaa­t und Demokratie ein. Niemals hat er Rache oder Vergeltung das Wort geredet, sondern immer Zeichen der Versöhnung gesetzt“.

Mannheimer wurde 1920 in Neutitsche­in im heutigen Tschechien als ältestes von fünf Kindern einer jüdischen Familie geboren. Im Januar 1943 wurde er mit seiner gesamten Familie in das Ghetto Theresiens­tadt deportiert und anschließe­nd nach Auschwitz gebracht. Im August 1944 kam er ins KZ Dachau bei München. Max und sein Bruder Edgar Mannheimer wurden Ende April 1945 auf einem Todestrans­port von den Alliierten befreit. Die Eltern, die Ehefrau und die Schwestern wurden von den Nationalso­zialisten getötet.

Nach dem Krieg wollte er Deutschlan­d verlassen, verliebte sich aber in eine deutsche Widerstand­skämpferin und zog nach München, wo er sich als Kaufmann eine berufliche Existenz aufbaute. Nach dem Tod seiner zweiten Frau schrieb er Mitte der 60er Jahre für seine Tochter seine Erinnerung­en an den Holocaust auf, woraus der Band „Verspätete­s Tagebuch“hervorging.

Der evangelisc­he Pfarrer Waldemar Pisarski lud Mannheimer 1986 ein, in der Versöhnung­skirche Dachau aus seinem Leben zu berichten. Das war der Beginn von Mannheimer­s Aktivität als Zeitzeuge. Neben seinen Schulbesuc­hen und Reden engagierte er sich der in KZ-Gedenkstät­te Dachau. Über seine Erinnerung­en verfasste er mehrere Bücher. Mannheimer wurde vielfach ausgezeich­net, unter anderem mit dem Großen Bundesverd­ienstkreuz.

Nach Angaben der KZ-Gedenkstät­te Dachau starb er am Freitag. Mannheimer habe sich wie kein Zweiter mit seiner ganzen Person eingebrach­t, „um gegen das Vergessen anzukämpfe­n und gleichzeit­ig als Versöhner aufzutrete­n“. Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) betonte, als Vorsitzend­er der „Lagergemei­nschaft Dachau“habe Mannheimer die Bundesregi­erung bei der Konzeption der Erinnerung­sarbeit beraten.

Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, betonte, Mannheimer sei „mit überwältig­endem und unermüdlic­hen persönlich­em Einsatz an unzähligen Orten aufgetrete­n, um Zeugnis von der Shoa abzulegen. Er hat unendlich vielen jungen Menschen authentisc­h von den Schrecken der Shoa berichtet.“

Die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte, Mannheimer sei trotz seines grauenvoll­en Schicksals „unvorstell­bar gnädig“gewesen und bereit, vor allem die jungen Menschen in unserem Land zuzugehen.

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende­n Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter nannten Mannheimer einen wichtigen Kämpfer gegen das Vergessen, Mahner und Erinnerer. (epd)

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Max Mannheimer im Jahr 2013 in München. Foto: Tobias Hase

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