Thüringische Landeszeitung (Gera)
Entscheid zu Stasi-Akten steht aus
StasiUnterlagen: Landtag will drei Außenstellen erhalten – Fachleute plädieren für sachgerechten Standort
BERLIN/JENA. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Terpe hat gefordert, die Debatte über den Umgang mit den StasiAkten nicht länger zu verschieben. Er warf der schwarz-roten Koalition Geschichtsvergessenheit vor. Die Hinterlassenschaft des Ministeriums für Staatssicherheit müsse erhalten und an den Orten des Gedenkens zugänglich gemacht werden. Die Offenlegung der Akten sei das Symbol der Friedlichen Revolution. Die Bundestagsfraktionen sollten sich über das Vorgehen verständigen, so der 62-Jährige.
Eine Expertenkommission hatte empfohlen, die Stasi-Akten bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen, eine Stiftung einzurichten und die frühere StasiZentrale in Berlin-Lichtenberg zum „Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand“weiterzuentwickeln. Opferverbände protestierten, die Vorschläge wurden ad acta gelegt. Der Bundestag beschloss, über den Umbau der Behörde erst in der nächsten Legislaturperiode zu entscheiden. Gestern berieten die Grünen mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, über die weitere Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. (dpa)
ERFURT. Die Thüringer Landesregierung wird sich beim Bund für den Erhalt der drei Thüringer Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) einsetzen. „Die Regierung hat dazu bereits die Initiative über die Ministerpräsidentenkonferenz-Ost ergriffen und wird gemeinsam mit den Sitzländern im Bundesrat alle Möglichkeiten für den Erhalt der Außenstellen ausschöpfen“, sagte Staatskanzlei-Sprecherin Maria-Theresa Meißner.
Der Landtag hatte Anfang September nach kontroverser Debatte parteiübergreifend beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, sich für den Erhalt aller drei Außenstellen in Erfurt, Gera und Suhl einzusetzen. Der Beauftragte der CDU-Fraktion für die Opfer der SED-Diktatur, Herbert Wirkner, begründete das Votum mit dem ungebrochenen Interesse an der Einsichtnahme in die Akten der Stasi. Der Bundestag hatte BStU und Bundesarchiv beauftragt, gemeinsam ein belastbares Konzept „für die dauerhafte Sicherung der Stasiakten durch eine Überführung des Stasiunterlagenarchivs in das Bundesarchiv“zu erstellen. Vorausgegangen waren Empfehlungen einer Expertenkommission zur Zukunft der Behörde, wonach in jedem Bundesland mindestens eine Außenstelle bleiben soll.
Beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen reagiert man zurückhaltend. Der Beschluss des Landtags mache deutlich, dass die Aufarbeitung der SEDDiktatur mit Hilfe der Stasiakten in den Region große Unterstützung habe, sagte Behördensprecherin Dagmar Hövestädt unserer Zeitung. Insofern werde das Votum der Landespolitiker für die weiteren Überlegungen auf Bundesebene sicher eine Rolle spielen.
Hövestädt verwies aber auf die Zuständigkeit des Bundes. „Grundlage für die weitere Arbeit der Behörde sind der Beschluss des Bundestages vom Juni dieses Jahres und das StasiUnterlagen-Gesetz. Danach obliegt es dem Bundesbeauftragen, einen Transformationsprozess einzuleiten“, sagte Hövestädt. Offen ist, ob und wie sich Thüringen an den Mehrkosten beteiligt, wenn nach 2019 alle drei Archive bestehen bleiben. „Da es sich um ein Archiv des Bundes handelt, werden alle Kosten vom Bund getragen“, sagte Dagmar Hovestädt. Aktuell beschäftigen die Außenstellen in Thüringen 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Jahresbudget von 10 Millionen Euro.
Allerdings zweifelt man in Berlin am sachgerechten Erhalt der Akten. So entsprächen die Klimabedingungen nicht dem Standard. Kosten für eine Nachrüstung lägen bislang noch nicht vor, es sei aber mit großen Investitionen für die Nachrüstung zu rechnen. „Es ist wichtig, die gesamte Aufarbeitungslandschaft mit allen Gedenkstätten und Initiativen in den Blick zu nehmen, um die bestmöglichen Orte für die Stasi-Unterlagen zu finden“, so die BStU-Sprecherin.
Die archivtechnischen Bedenken teilt auch der Historiker Peter Wurschi von der Stiftung Ettersberg, der in der Expertenkommission zur Zukunft des Bundesbeauftragten saß. „An den aktuellen Orten kann der Erhalt der Akten nicht so gewährleistet werden, wie es notwendig wäre. Die Entscheidung für drei Standorte ist kontraproduktiv, die Akten würden dort Stück für Stück zerfallen“, sagt der Weimarer. Hinzu gesellen sich Zweifel an der inhaltlichen Notwendigkeit von drei Außenstellen. Viele Akten würden inzwischen nach Hause geschickt, die Bedeutung der Häuser als Anlaufstellen für die Akteneinsicht sei zurückgegangen.
So waren es 2014 in Erfurt noch 140, in Suhl 122 und in Gera sogar nur 63 Akteneinsichten vor Ort.
„Die heutigen Stasiarchive sind nicht die authentischen Orte des Widerstandes oder der Revolution. Muss man zum Beispiel für die Erinnerung an Matthias Domaschk wirklich die Hülle einer Außenstelle in Gera erhalten? Oder schaut man besser, ob man an vom Land zu stützenden Aufarbeitungsorten wie dem ehemaligen Stasi-Untersuchungsknast Amthordurchgang oder der Gedenkstätte Andreassstraße in Erfurt die Erinnerungsarbeit vor Ort noch besser ertüchtigt?“, fragt Wurschi.
Hohe Kosten für Nachrüstung