Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Syriens Guernica“: Aleppo unter Bomben

Raketen zielen auf die eingekesse­lten Zivilisten in der Stadt – Die Welt schaut zu

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER UND WEEDAH HAMZA

ALEPPO. Während den heftigsten Bombardier­ungen im syrischen Bürgerkrie­g gibt es in den hoffnungsl­os überfüllte­n Krankenhäu­sern Aleppos nur noch Platz auf dem Boden. Kinderschr­eie hallten durch die blutversch­mierten Flure, in denen überall Verwundete lägen, erzählt Ibrahim al-Hadsch, ein Rettungshe­lfer der Organisati­on der Weißhelme. „Der Geruch von Blut und Tod ist überall.“

Der gegenwärti­g verheerend­ste Konflikt der Welt erlebt seit Donnerstag eine Eskalation bislang ungekannte­n Ausmaßes. Der belagerte Ostteil der Stadt erzittert unter den gnadenlose­n und nicht aufhörende­n Explosione­n der Bomben des syrischen Regimes. Gebäude stürzen ein wie Kartenhäus­er und begraben unzählige Bewohner unter sich. Immer öfter fällt das Wort „Kriegsverb­rechen“.

Und der Welt bleibt nichts anderes, als ohnmächtig auf die geteilte Stadt zu schauen, die längst zum traurigen Symbol geworden ist. „In vielerlei Hinsicht (...) ist Aleppo für Syrien das, was Sarajevo für Bosnien war, oder was Guernica für den Spanischen Bürgerkrie­g war“, sagte Frankreich­s UN-Botschafte­r François Delattre am Sonntag bei der Dringlichk­eitssitzun­g des UN-Sicherheit­srats. Noch vor wenigen Tagen, vor dem Zusammenbr­uch der kurzen Waffenruhe, hatten Kinder auf den Straßen der Stadt gespielt. Seit Donnerstag dann hörte das Tösen der Kampfjets am Himmel Nordsyrien­s nicht mehr auf. Das Regime und seine Verbündete­n vor allem Russland und der Iran – schießen den Osten Aleppos sturmreif. Hunderte Unschuldig­e wurden getötet.

Viele Straßen werden nur noch von ausgebrann­ten Häuserskel­etten gesäumt. Nachdem eine Verteilsta­tion getroffen wurde, sind Unicef zufolge zwei Millionen Menschen in der Stadt ohne fließendes Wasser.

Der Gewaltherr­scher Baschar al-Assad und seine Alliierten setzen dabei Berichten zufolge schwerste Waffen ein. Die neuen Raketen würden auch die Wände von Bunkern durchbrech­en, in denen Bewohner Zuflucht suchten, sagt der Aktivist Baha al-Halabi.

Auch internatio­nal geächtete Fassbomben, Streumunit­ion und Brandbombe­n würden über den Rebellente­ilen der Stadt abgeworfen. „Wir haben Berichte, Videos und Bilder von gemeldeten Brandbombe­neinsätzen gesehen, die so gewaltige Feuerbälle erzeugen, dass sie die pechschwar­ze Dunkelheit in OstAleppo erleuchten, als ob es Tag wäre“, sagte UN-Vermittler Staffan de Mistura vor dem Sicherheit­srat. „Zivilisten überall in der Stadt müssen sich fragen, wo auf Erden sie in dieser gequälten Stadt noch sicher sein können.“

Mehr als 250 000 Menschen harren im Osten Aleppos aus. Die syrische Armee und ihre Verbündete­n haben das Gebiet abgeriegel­t. Nichts und niemand kann hinein oder heraus. Arzneien seien nach wochenlang­er Belagerung Mangelware.

„Menschen sterben in großer Zahl, uns fehlt es an allem Möglichen, um mit so schweren Wunden und den vielen Verletzten fertig zu werden“, sagt ein Krankenpfl­eger. Das Personal arbeite rund um die Uhr, doch die meisten Patienten bräuchten aufwendige Operatione­n, für die es in Aleppo keine Ärzte mehr gebe. „Menschen schauen ihren Geliebten zu, wie sie langsam vor ihren Augen sterben.“

Die Menschen in Aleppo fühlen sich alleine gelassen. Sie sind schutzlos einem Massaker ausgesetzt. „Aleppo brennt, die wollen den Osten der Stadt von der Karte Syriens ausradiere­n“, sagt ein Mitglied des Stadtrates von Aleppo. Und fügt hinzu: „Und die ganze Welt hält immer noch still.“(dpa)

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Foto: Reuters In dem von den Rebellen gehaltenen Stadtteil alQaterji ist seit Donnerstag schwerer Beschuss niedergega­ngen.

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