Thüringische Landeszeitung (Gera)
Arbeiten von zu Hause aus – was sind die Vor- und Nachteile?
Fast 40 Prozent der Unternehmen bieten Heim und Telearbeit an – Gewerkschaftsbund sieht die Entwicklung skeptisch
WEIMAR. Smartphone und Tablet – mehr Büro brauchen viele Arbeitnehmer für ihren Job heute nicht mehr. Zu Hause am Schreibtisch, auf der Wohnzimmer-Couch oder im Eck-Café checken sie E-Mails, telefonieren mit Kunden oder arbeiten am neuen Projekt. Fast 40 Prozent der Unternehmen, vor allem größere, bieten ihren Beschäftigten inzwischen die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, wie eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Personaldienstleister Randstad ergab.
Aber bringt das vor allem mehr Freiheiten für die Mitarbeiter und Vorteile für Unternehmen – oder überwiegen die Nachteile? Hier Argumente für und gegen das Homeoffice:
1. Beruf und Familie lassen sich besser vereinbaren
Dafür spricht, dass die Beschäftigten den Arbeitsort wählen und sich ihre Zeit flexibler einteilen können sowie der Weg zum und vom Job entfällt. Erfahrene Heimarbeiter aber wissen: Wirklich gut lässt sich beides nicht immer unter einen Hut bringen. Ein kleines Kind zu Hause betreuen und nebenbei Telefon-Konferenzen mit dem Chef absolvieren kann ein ebenso schwieriger Spagat sein wie das Beantworten dienstlicher E-Mails auf dem eiligen Weg in die Kita. „Man ist im Zweifel im doppelten Stress“, so Oliver Suchy, Leiter des Projektes „Arbeit der Zukunft“beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
2. Im Homeoffice lässt sich effizienter arbeiten
Das kann stimmen, ist aber ein zweischneidiges Schwert. Kein Smalltalk mit den Kollegen in der Teeküche, kein störendes Telefonklingeln im Großraumbüro – viele schätzen am Homeoffice das konzentrierte und effiziente Arbeiten. Wenn ein Projekt schnell vorangehen muss, kann das ein Vorteil sein. Schön, wenn dann auch noch die Waschmaschine nebenher laufen und die Mittagspause für einen kurzen Einkauf genutzt werden kann. Solche privaten Erledigungen können allerdings auch von der Arbeit ablenken. Und nicht jeder Beschäftigte geht verantwortungsbewusst mit der längeren Leine um. Umgekehrt braucht es eine gewisse Selbstdisziplin, damit vor lauter Effizienz etwa Pausenzeiten nicht zu kurz kommen.
3. Arbeit und Privatleben verschwimmen
Das gilt als Kernproblem der neuen Arbeitswelt, vor allem dort, wo es keine Regeln für das mobile Arbeiten gibt. Erst kürzlich ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag von dpa etwa, dass fast jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland nach Feierabend seine beruflichen E-Mails checkt. Einige Unternehmen wie Volkswagen oder BMW räumen ihren Mitarbeitern zwar ein Recht auf Nichterreichbarkeit ein. Doch allgemein herrsche eher Wildwuchs, meint DGBExperte Suchy.
4. Arbeit im Homeoffice bedeutet Mehrarbeit
Ein Indiz dafür ist der große Berg an unbezahlten Überstunden. Fast eine Milliarde waren es laut Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) jeweils in den vergangenen beiden Jahren. Dahinter stecke nicht nur der Druck, den sich manche Beschäftigte selbst machten, sondern oft auch zu hoch gesteckte Ziele, so Suchy. Für ihn ist klar: „Arbeit muss erfasst und vergütet werden.“Die Gewerkschafter pochen auf einen Ordnungsrahmen für die neue Arbeitswelt – und die Arbeitgeber im Gegenzug auf mehr Flexibilität. Statt einer täglichen wollen sie auf wöchentliche Höchstarbeitszeit umstellen und mehr Öffnungsklauseln erreichen. „Dies unterstützt betriebliche Abläufe und ermöglicht Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“, so ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
5. Immer auf Abruf zu sein, macht krank
Dafür spricht eine kürzlich veröffentlichte Studie der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga). Selbst wer sich aus freien Stücken dafür entscheidet, auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten erreichbar zu sein, erholt sich demnach tendenziell schlechter, leidet häufiger unter Schlafstörungen und kann im wahrsten Sinne des Wortes schlechter abschalten.
6. Die Bindung zur Firma geht zu Hause verloren
Das sehen vor allem die Arbeitgeber als potenzielles Problem. Gerade für das Arbeiten im Team, die Mitarbeiterführung und die Unternehmenskultur sei das Homeoffice eine Herausforderung, sagt der BDA-Sprecher. Siemens sorgt dafür, dass selbst Beschäftigte mit Telearbeitsplätzen höchstens 80 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von zu Hause aus absolvieren – aber nicht aus Misstrauen, sondern um einen guten Austausch zwischen den Kollegen zu gewährleisten, heißt es.