Thüringische Landeszeitung (Gera)
Der treueste Pinguin der Welt
Seit fünf Jahren schwimmt Dindim jedes Jahr Tausende Kilometer zu seinem Retter in Brasilien
PROVETÁ. Das Boot schaukelt auf dem offenen Meer. Es ist nicht leicht, dieses versteckte Nest auf der Ilha Grande, einer Insel im Atlantik, zu finden. Dort in Provetá ist man unter sich, alte Kutter rosten im kleinen Hafen vor sich hin, benannt nach Gott und Jesus, Provetá ist fest in der Hand evangelikaler Sekten. Dort soll ein pensionierter Maurer leben, João Pereira de Souza. Da es in dem sehr abgelegenen Inseldorf keinen Telefonempfang gibt, bleibt nur eine Option: hinfahren, suchen. Denn João Pereira de Souza ist Protagonist einer recht unglaublich anmutenden Geschichte. Im Frühjahr 2011 war er am Strand unterwegs, als er plötzlich einen Pinguin dort liegen sah, verklebt mit Öl, ein Bein gebrochen, am Rücken verletzt. Dem Tod geweiht. Er nahm ihn die 50 Meter mit zu seinem Häuschen und pflegte ihn wieder gesund, er schmierte ihm den Rücken sogar mit seiner eigenen Rückensalbe ein.
Nach ein paar Monaten fuhr er mit einem kleinen Boot raus auf das offene Meer und setzte den Pinguin, den er Dindim getauft hatte, wieder aus. Doch noch ehe Pereira de Souza wieder den Strand erreicht hatte, war dort: der Pinguin. Er blieb noch einige Monate, dann schwamm er wohl zurück nach Patagonien, seiner argentinischen Heimat. Aber dann folgte das Ungewöhnliche: 2012, 2013, 2014 und 2015 stand immer im Juni oder Juli Pinguin Dindim wieder am Zaun aus Bambusrohren. Er muss mehrere Wochen Tausende Kilometer hoch bis zur Ilha Grande geschwommen und vom Strand den Sandweg zum in der zweiten Reihe stehenden Häuschen gewatschelt sein. Es wird davon ausgegangen, dass seine Heimat rund 4000 Kilometer weiter südlich in Patagonien liegt und er daher bis zu 8000 Kilometer für den „Retter-Besuch“unterwegs sein kann. Er blieb in der Vergangenheit bis zu acht Monate, dann schwamm er wieder in andere Gefilde, der brasilianische Sommer ist dann doch zu warm. So zumindest die Geschichte. Kann das stimmen?
Das Häuschen ist schnell gefunden. João und seine Frau sitzen auf einer Holzbank, mürrischer Blick. Dann ein Blick über den Zaun: da steht ein Pinguin.
João will eigentlich nicht darüber reden. Aber nach und nach „taut“er auf – und wie er mit seinem Pinguin umgeht, diese Vertrautheit, die in den nächsten Stunden zu sehen ist, lässt die Story realer erscheinen. „Ich war mir sicher, dieses Jahr kommt Dindim nicht mehr“, erzählt er. Doch am 1. August wachte er auf – und da stand Dindim am Zaun. „Ich liebe ihn wie meine drei Kinder“, sagt João. Er hat ihm in den Vorjahren einen Ring angelegt, um ihn wiederzuerkennen. Pereira de Souza schmiegt sein Gesicht an das von Dindim. Leider kann Dindim nicht sprechen – es wäre interessant zu erfahren, warum er sich so verspätet hat.
Mit Rückensalbe eingeschmiert