Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Den Diskurs zu verhindern, bringt niemandem irgendetwas“
Gemeinde vermietet Saal an AfDFraktion für einen Bürgerdialog – Höcke zu Homosexualität: Toleranz statt Akzeptanz
HEUTHEN. Michael Gassmann (Freie Wähler) legt Wert auf diesen Satz: „Ich bin mit Leib und Seele Demokrat.“
Entscheidungen im Gemeinderat sind für den Bürgermeister der Gemeinde Heuthen (Landkreis Eichsfeld) nicht nur Mittel zum Zweck – er achtet sie. Deshalb geht er auch mit strittigen Themen in das Gremium, stellt sie zur Abstimmung. So geschehen auch bei der Frage, ob der Gemeindesaal an die AfD-Fraktion vermietet werden soll. Dabei hätte Gassmann den Gemeinderat hier gar nicht fragen müssen. Schließlich dürfen andere Parteien den Saal ebenso nutzen. Wenn eine Partei wie die CDU oder die SPD oder andere hereingelassen werde, könne man die AfD nicht außen vor lassen, sagt Gassmann. Dazu, das betont er, müsse man nicht die Ansicht der Partei teilen. Gassmann gehört als Kreisvorsitzender der Freien Wähler zu den Leuten im konservativen Eichsfeld, die nicht im Verdacht stehen, mit CDU oder SPD permanent einig zu sein. Einen Tabubruch sieht der Bürgermeister keinesfalls darin, dass der Gemeindesaal an die AfD vermietet worden sei. „Den Diskurs zu verhindern, bringt niemandem irgendetwas“, sagt er deutlich.
Die AfD-Fraktion, die in der Vergangenheit genau wie der Landesverband immer wieder Probleme hatte, Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen zu finden, hatte am vergangenen Freitag 200 Menschen in Heuthen zum Bürgerdialog begrüßt. Landesvorsitzender und Fraktionschef Björn Höcke sowie die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion und Jenaer Kreisvorsitzende Wiebke Muhsal referierten verschiedene Themen, die bei der AfD in den vergangenen Monaten bestimmend sind – von Asylpolitik bis zum Thüringer Bildungsplan.
Teilweise unter großem Beifall der Gäste nahm Höcke Anlauf zu verschiedenen Themen, weil von „Ein-Themen-Partei“ keine Rede mehr sein könne. Björn Höcke forderte, wie schon in vielen seiner früheren Reden zuvor, eine „180-Grad-Wende in der Asyl- und Einwanderungspolitik“.
Höcke richtete seinen Blick auf Homosexualität und den gerade in Hessen verabschiedeten Bildungsplan. Die AfD toleriere zwar Homosexualität, akzeptieren sei aber etwas anders. Höcke sagte die „sexuelle Anderartigkeit, die in vielen Fälle sexuelle Perversität bedeutet“, könne kein Erziehungsziel an einer Schule sein. Die AfD werde „diesem perversen Zeitgeist“die „Stirn bieten“, sagte der AfDLandeschef. Seine Partei stehe für die natürliche Verbindung von Mann und Frau.
Mit Blick auf den Thüringer Bildungsplan referierte Wiebke Mushal zahlreiche Punkte, die Höcke zuvor angerissen hatte und die von der AfD schon lange kritisiert werden. Beide AfD-Politiker bekamen in einem der konservativsten Thüringer Landstrichs viel Applaus für ihre Äußerungen.
Kritik an den Höcke-Aussagen ließ am Wochenende aber nicht lange auf sich warten. Das Onlineportal „queer“, das sich selbst als Zentralorgan der Homo-Lobby beschreibt, kommentierte auf seiner Facebook-Seite die Höcke-Rede so: „Immer unerträglicher: Die AfD in Thüringen und Sachsen-Anhalt verschärft ihre Hetze gegen Schulaufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.“
Der Bürgerdialog in Heuthen ist die dritte Veranstaltung des AfD-Regionalverbandes Nordhausen-Eichsfeld-Mühlhausen mit ähnlich gutem Zulauf in den vergangenen vier Wochen gewesen. Für die Fraktion, das sagte deren Sprecher Tobias Zeiler auf Anfrage, seien die Veranstaltungen in ganz Thüringen eine gute Möglichkeit, die Menschen vor Ort zu erreichen. Dabei hat die umstrittene Partei ihre Strategie bei der Suche nach Veranstaltungsorten geändert, nachdem zahlreiche Gastwirte – vor allem rund um Jena – in der Vergangenheit unter Druck gesetzt wurden, weil sie der AfD Räume vermieten wollten.
Einfacher, sagt Wiebke Muhsal im TLZ-Gespräch, sei die Lage in Jena nicht geworden. Auch andernorts wird das beobachtet. Deshalb mietet sich die AfD nun vornehmlich bei Kommunen, wie in Heuthen, ein – dort, wo andere Parteien schon oft Veranstaltungen abhielten.
„Wir haben im Gemeinderat darüber gesprochen und dann eine Entscheidung getroffen.” Michael Gassmann (Freie Wähler), Bürgermeister aus Heuthen