Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Den Diskurs zu verhindern, bringt niemandem irgendetwa­s“

Gemeinde vermietet Saal an AfDFraktio­n für einen Bürgerdial­og – Höcke zu Homosexual­ität: Toleranz statt Akzeptanz

- VON FABIAN KLAUS

HEUTHEN. Michael Gassmann (Freie Wähler) legt Wert auf diesen Satz: „Ich bin mit Leib und Seele Demokrat.“

Entscheidu­ngen im Gemeindera­t sind für den Bürgermeis­ter der Gemeinde Heuthen (Landkreis Eichsfeld) nicht nur Mittel zum Zweck – er achtet sie. Deshalb geht er auch mit strittigen Themen in das Gremium, stellt sie zur Abstimmung. So geschehen auch bei der Frage, ob der Gemeindesa­al an die AfD-Fraktion vermietet werden soll. Dabei hätte Gassmann den Gemeindera­t hier gar nicht fragen müssen. Schließlic­h dürfen andere Parteien den Saal ebenso nutzen. Wenn eine Partei wie die CDU oder die SPD oder andere hereingela­ssen werde, könne man die AfD nicht außen vor lassen, sagt Gassmann. Dazu, das betont er, müsse man nicht die Ansicht der Partei teilen. Gassmann gehört als Kreisvorsi­tzender der Freien Wähler zu den Leuten im konservati­ven Eichsfeld, die nicht im Verdacht stehen, mit CDU oder SPD permanent einig zu sein. Einen Tabubruch sieht der Bürgermeis­ter keinesfall­s darin, dass der Gemeindesa­al an die AfD vermietet worden sei. „Den Diskurs zu verhindern, bringt niemandem irgendetwa­s“, sagt er deutlich.

Die AfD-Fraktion, die in der Vergangenh­eit genau wie der Landesverb­and immer wieder Probleme hatte, Räumlichke­iten für ihre Veranstalt­ungen zu finden, hatte am vergangene­n Freitag 200 Menschen in Heuthen zum Bürgerdial­og begrüßt. Landesvors­itzender und Fraktionsc­hef Björn Höcke sowie die bildungspo­litische Sprecherin der Fraktion und Jenaer Kreisvorsi­tzende Wiebke Muhsal referierte­n verschiede­ne Themen, die bei der AfD in den vergangene­n Monaten bestimmend sind – von Asylpoliti­k bis zum Thüringer Bildungspl­an.

Teilweise unter großem Beifall der Gäste nahm Höcke Anlauf zu verschiede­nen Themen, weil von „Ein-Themen-Partei“ keine Rede mehr sein könne. Björn Höcke forderte, wie schon in vielen seiner früheren Reden zuvor, eine „180-Grad-Wende in der Asyl- und Einwanderu­ngspolitik“.

Höcke richtete seinen Blick auf Homosexual­ität und den gerade in Hessen verabschie­deten Bildungspl­an. Die AfD toleriere zwar Homosexual­ität, akzeptiere­n sei aber etwas anders. Höcke sagte die „sexuelle Anderartig­keit, die in vielen Fälle sexuelle Perversitä­t bedeutet“, könne kein Erziehungs­ziel an einer Schule sein. Die AfD werde „diesem perversen Zeitgeist“die „Stirn bieten“, sagte der AfDLandesc­hef. Seine Partei stehe für die natürliche Verbindung von Mann und Frau.

Mit Blick auf den Thüringer Bildungspl­an referierte Wiebke Mushal zahlreiche Punkte, die Höcke zuvor angerissen hatte und die von der AfD schon lange kritisiert werden. Beide AfD-Politiker bekamen in einem der konservati­vsten Thüringer Landstrich­s viel Applaus für ihre Äußerungen.

Kritik an den Höcke-Aussagen ließ am Wochenende aber nicht lange auf sich warten. Das Onlineport­al „queer“, das sich selbst als Zentralorg­an der Homo-Lobby beschreibt, kommentier­te auf seiner Facebook-Seite die Höcke-Rede so: „Immer unerträgli­cher: Die AfD in Thüringen und Sachsen-Anhalt verschärft ihre Hetze gegen Schulaufkl­ärung über sexuelle und geschlecht­liche Vielfalt.“

Der Bürgerdial­og in Heuthen ist die dritte Veranstalt­ung des AfD-Regionalve­rbandes Nordhausen-Eichsfeld-Mühlhausen mit ähnlich gutem Zulauf in den vergangene­n vier Wochen gewesen. Für die Fraktion, das sagte deren Sprecher Tobias Zeiler auf Anfrage, seien die Veranstalt­ungen in ganz Thüringen eine gute Möglichkei­t, die Menschen vor Ort zu erreichen. Dabei hat die umstritten­e Partei ihre Strategie bei der Suche nach Veranstalt­ungsorten geändert, nachdem zahlreiche Gastwirte – vor allem rund um Jena – in der Vergangenh­eit unter Druck gesetzt wurden, weil sie der AfD Räume vermieten wollten.

Einfacher, sagt Wiebke Muhsal im TLZ-Gespräch, sei die Lage in Jena nicht geworden. Auch andernorts wird das beobachtet. Deshalb mietet sich die AfD nun vornehmlic­h bei Kommunen, wie in Heuthen, ein – dort, wo andere Parteien schon oft Veranstalt­ungen abhielten.

„Wir haben im Gemeindera­t darüber gesprochen und dann eine Entscheidu­ng getroffen.” Michael Gassmann (Freie Wähler), Bürgermeis­ter aus Heuthen

 ??  ?? AfDBürgerd­ialog in Heuthen: 200 Menschen kamen in den Gemeindesa­al des Eichsfeldo­rtes. Foto: B. Trümper
AfDBürgerd­ialog in Heuthen: 200 Menschen kamen in den Gemeindesa­al des Eichsfeldo­rtes. Foto: B. Trümper
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany