Thüringische Landeszeitung (Gera)

Warum ein Rührgerät in den Himmel kommt

Dokumentar­film erzählt die Erfolgsges­chichte des in Suhl produziert­en „RG 28“

- VON MICHAEL HELBING

SUHL. Dass dies ein durchaus rührender Film ist, mag einem zunächst wie ein Kalauer vorkommen. Aber es stimmt wohl auch darüber hinaus. Denn bei der intensiven wie extensiven Betrachtun­g des Handrühr- und Mixgerätes RG 28 aus dem Kombinat VEB Elektroger­ätewerk Suhl kamen diesem und jenem tatsächlic­h die Tränen, berichtet Produzent Bert Köhler. „Und ein kleines bisschen ist das ja auch ein Liebesfilm.“

Es ist die Liebe zu einer Arbeit und zu einem Produkt, das dabei millionenf­ach entstand. 18 Millionen mal, um halbwegs genau zu sein. Die Hälfte davon ging in den Export. Aber das RG 28 war geschätzt auch in jedem zweiten DDR-Haushalt zu finden. Und dort läuft es vielfach bis heute, obwohl mit der DDR auch die Produktion­sgeschicht­e des RG 28 endete.

Dem Regisseur Reinhard Günzler zwang das Fragen auf: warum ausgerechn­et die als rückständi­g geltende DDR mit ihrer Mangelwirt­schaft Geräte wie dieses hervorbrac­hte, „das immer noch tadellos funktionie­rt und das die Menschen gern haben“. Vielleicht, ließe sich antworten, weil in der Planwirtsc­haft die geplante Obsoleszen­z von Konsumgüte­rn schon deshalb nicht systemimma­nent sein konnte, weil es chronisch an Material für Nachschub fehlte. Man war gleichsam gezwungen zu einer Strategie, die heutzutage wieder heiß diskutiert und Nachhaltig­keit genannt wird. Mit diesem Thema hat sich Regisseur Günzler, aus dem Ruhrgebiet stammend, „ schon immer beschäftig­t.“Bert Köhlers Clip Film- und Fernsehpro­duktion in Suhl heuerte den „Wessi“aber auch deshalb an, „weil wir keinen Ostalgie-Film machen wollten“.

Gemeinsam drehte man also im August 2015, unter anderem in Suhl und Arnstadt, den abendfülle­nden Dokumentar­film „Kommen Rührgeräte in den Himmel?“. Darin begibt sich Carmen aus der Schweiz – gespielt von Angelina Palacios – auf eine Forschungs­reise, nachdem ihr niegelnage­lneues Rührgerät beim Backen den Dienst versagt. Auf dem Flohmarkt in Jena leuchtet ihr in Orange eines entgegen, das dergleiche­n eben nicht tut: ein RG 28. Laura wagt einen Blick zurück, aber auch in die Gegenwart. Sie trifft Konstrukte­ure, Prüfingeni­eure und Arbeiter aus dem Elektroger­ätewerk von einst, Menschen, die das RG 28 bis heute benutzen, aber auch Soziologen, Ökonomen und Psychologe­n.

Das Gerät wird zum „Symbol für eine gelungene Beziehung zwischen Mensch und Gebrauchsd­ing“, sagt der Regisseur. Wie eine solche Beziehung standardmä­ßig scheitert, symbolisie­ren hingegen Elektrosch­rottberge. Was dort heutzutage landet, kehrt allenfalls in Teilen in den Produktion­skreislauf zurück, erfährt Carmen.

Der Film, sagt Produzent Göhler, antwortet auf die Wegwerfges­ellschaft mit dem „Respekt vor den Dingen“, den es wiederzuer­langen gelte. „Natürlich empfehlen wir nicht den Weg zurück zur Planwirtsc­haft“, erklärt Autor und Regisseur Günzler. Es gehe aber darum nachzudenk­en, wie man durch Konsuments­cheidungen das System beeinfluss­en könnte.

„Kommen Rührgeräte in den Himmel?“schafft es zum Bundesstar­t an diesem Donnerstag in 30 Kinos deutschlan­dweit. Das ist für einen Dokumentar­film ebenso bemerkensw­ert wie der Umstand, dass die meisten dieser Kinos im Westen stehen. „Das ist alles andere als ein rein ostdeutsch­er Film“, fühlt sich Bert Göhler bestätigt und vermutet: „Wir haben mit dem Thema wohl in ein Wespennest gestochen.“

Der Film läuft ab 29. September in Thüringen zunächst nur im Cineplex Suhl. Im Kinoclub am Hirschlach­ufer in Erfurt dann vom 13. Bis 16. Oktober.

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Fotos: GMfilms Das Handrühr und Mixgerätes RG 28 aus Suhl: Macht es einen Unterschie­d, ob wir Dinge herstellen, um einen Unternehme­r noch ein bisschen reicher zu machen, oder von denen wir glauben, dass die Menschen sie brauchen? Der Film geht dieser Frage nach.
 ??  ?? Carmen (Laura Angelina Palacios) ist Schweizeri­n und studiert in Jena. Auf auf einem Flohmarkt erwirbt sie ein Rührgerät aus alten Zeiten, das ihr Interesse weckt.
Carmen (Laura Angelina Palacios) ist Schweizeri­n und studiert in Jena. Auf auf einem Flohmarkt erwirbt sie ein Rührgerät aus alten Zeiten, das ihr Interesse weckt.

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