Thüringische Landeszeitung (Gera)
Plötzlich ein Leben retten
Lisa Roschkowski war mit Sohn Mio im Freibad – Durch einen Tauchgang rettete sie einen Jungen vor dem Ertrinken
BAD KÖSTRITZ/EISENBERG. Am Dienstag vor zwei Wochen war Lisa Roschkowski mit ihrem Sohn Mio im Bad Köstritzer Freibad. Sie hatte einen Tag frei und wollte noch einmal das warme Sommerwetter nutzen. Mio planschte mit Schwimmflügeln ausgestattet mit seiner Mutter im Schwimmerbecken. „Dann hatte er keine Lust mehr und saß am Beckenrand, warf mir seine Schwimmbrille ins Wasser. Also bin ich nach unten getaucht, um sie hoch zu holen. Da sah ich einen kleinen Jungen mit dem Rücken am Boden liegen. Er bewegte sich nicht, da wusste ich, da stimmt was nicht“, erzählt die Eisenbergerin. Selbst habe sie kaum noch Luft gehabt, doch voller Adrenalin sei sie 1,80 Meter tief zu dem Kind hinab getaucht und habe ihn am Arm an die Wasseroberfläche gezogen. Oben schrie sie um Hilfe, doch der Geräuschpegel der vielen Badegäste war so groß, dass ihre Stimme kein Gehör fand.
Lisa Roschkowski trug den bewusstlosen Vierjährigen selbst in Richtung Schwimmmeisterhäuschen. „Ich habe ihm ins Gesicht geklatscht und auf ihn eingeredet. Ein Schwimmmeister und eine sehr gefasst auftretende Badbesucherin haben dann erste Hilfe gemacht, Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage“, erinnert sich die junge Frau, die in dem Moment ihren eigenen Sohn komplett vergessen hatte. Noch heute wundert sie sich, wie fokussiert sie war und dass sie instinktiv richtig gehandelt hat. Mio war ihr währenddessen nicht von der Seite gewichen, auch er hatte gemerkt, dass das eine Ausnahmesituation war.
Das beherzte Eingreifen der Eisenbergerin und die Wiederbelebungsversuche des Schwimmmeisters hatten Erfolg, der kleine Junge kam wieder zu Bewusstsein. Auf eine eilig durchgegebene Durchsage war auch die Mutter des Jungen herbeigerannt gekommen. „Sie war scheinbar mit ihrem zweiten kleineren Kind im Babybecken und der Vierjährige war ausgebüxt“, sagt Roschkowski. Kinder würden immer mal Zeit und Raum vergessen, weiß die junge Mutter. Gerade deswegen Lisa Roschkowski wird den 13. September nicht so schnell vergessen. Sie war mit ihrem Sohn Mio im Köstritzer Freibad und wurde zur Lebensretterin. Foto: Angelika Munteanu würde sie ihren Sohn nie ohne Schwimmflügel in die Nähe der Becken lassen, solange er nicht schwimmen kann.
Wie der Kleine ins Schwimmerbecken gelangt ist, ließ sich im Nachhinein nicht mehr klären. Hauptsache war, dass seine Atmung wieder einsetzte. Wie Lisa Roschkowski im Nachhinein von der Mutter des Jungen erfuhr, war er noch zwei Tage zur Beobachtung im Jenaer Krankenhaus. „Es geht ihm wieder gut“, sagt Roschkowski erleichtert. Diesen Nachmittag im Köstritzer Bad wird sie trotzdem nie vergessen. Erst später wurde ihr bewusst, was da eigentlich passiert war. Auch mit Mio hat sie über den Vorfall gesprochen. „Ich habe hinterher gedacht, es hätte auch mein Kind sein können. Dann wäre ich über alles dankbar gewesen, wenn andere so geistesgegenwärtig geholfen hätten. Von mir weiß ich nun, dass ich in solchen Situationen richtig reagieren kann“, ist sie irgendwie auch froh über diesen ernsten Augenblick.
Ärgern tun sie Badegäste, die statt zu helfen einfach nur glotzten. Außer einem Mann, der mit seinem Handy den Krankenwagen rief, hätten alle nur gegafft. Sie selbst will demnächst einen Auffrischungskurs zur Ersten Hilfe machen, denn zumindest Mio will sie immer helfen können. „Wenn ein Kind bewusstlos vor einem liegt, zählt jede Sekunde. Dann ist es besser, man weiß, was man tut“, sagt sie.
Auch Schwimmmeister Olaf Gröber ist erleichtert, dass es dem Jungen wieder gut geht. Gemeinsam mit einem Kollegen war er an dem Tag im Dienst. „Durch das heiße Wetter war sehr viel Betrieb. Wir hatten rund 1500 Badegäste“, berichtet er. Sein Kollege war es, der am Becken Aufsicht hatte und zur Rettung des Jungen zu Lisa Roschkowski lief, die das Kind auf den Boden zwischen Kasse und Schwimmmeisterhäuschen gelegt hatte.
Gröber selbst hatte gerade einem anderen Badegast geholfen. Während sein Kollege mit der Wiederbelebung begann, lief Gröber den Defibrillator holen. „Zum Glück war da die Herzdruckmassage schon erfolgreich und der Junge wieder wach“, sagt Gröber. Auch für die Schwimmmeister ist ein solcher Moment eine Ausnahmesituation. Auch wenn sie jährlich in einer Prüfung ihr Erste-HilfeWissen nachweisen, wenn ein Badegast in Not ist, greift noch lange keine Routine. Die letzte Rettung, an die er sich erinnert, war im Jahr 2011 nötig. Auch damals ging alles gut aus.
Olaf Gröber ist froh, dass so etwas nur sehr selten passiert und dass sich die meisten Badegäste an die Badregeln halten. Doch auch er weiß, dass unter hunderten Badenden im großen Becken schnell etwas passieren kann. „Die Erwachsenen sollten ihre Augen offen halten und auf die Kinder achten, vor allem wenn sie noch nicht schwimmen können, appelliert er an alle. Mittlerweile hat Lisa Roschkowski ein Brief aus der Bad Köstritzer Stadtverwaltung erreicht. „Wir haben uns bei ihr für die Rettung und ihre vorbildliche Beherrschung in dieser Situation bedankt“, sagt der Bad Köstritzer Bürgermeister Dietrich Heiland (CDU).
Die junge Eisenbergerin war sehr gerührt über die Zeilen. „Doch am allerwichtigsten ist, dass es dem kleinen Jungen wieder gut geht“, sagt sie.