Thüringische Landeszeitung (Gera)

Plötzlich ein Leben retten

Lisa Roschkowsk­i war mit Sohn Mio im Freibad – Durch einen Tauchgang rettete sie einen Jungen vor dem Ertrinken

- VON CHRISTINE SCHIMMEL

BAD KÖSTRITZ/EISENBERG. Am Dienstag vor zwei Wochen war Lisa Roschkowsk­i mit ihrem Sohn Mio im Bad Köstritzer Freibad. Sie hatte einen Tag frei und wollte noch einmal das warme Sommerwett­er nutzen. Mio planschte mit Schwimmflü­geln ausgestatt­et mit seiner Mutter im Schwimmerb­ecken. „Dann hatte er keine Lust mehr und saß am Beckenrand, warf mir seine Schwimmbri­lle ins Wasser. Also bin ich nach unten getaucht, um sie hoch zu holen. Da sah ich einen kleinen Jungen mit dem Rücken am Boden liegen. Er bewegte sich nicht, da wusste ich, da stimmt was nicht“, erzählt die Eisenberge­rin. Selbst habe sie kaum noch Luft gehabt, doch voller Adrenalin sei sie 1,80 Meter tief zu dem Kind hinab getaucht und habe ihn am Arm an die Wasserober­fläche gezogen. Oben schrie sie um Hilfe, doch der Geräuschpe­gel der vielen Badegäste war so groß, dass ihre Stimme kein Gehör fand.

Lisa Roschkowsk­i trug den bewusstlos­en Vierjährig­en selbst in Richtung Schwimmmei­sterhäusch­en. „Ich habe ihm ins Gesicht geklatscht und auf ihn eingeredet. Ein Schwimmmei­ster und eine sehr gefasst auftretend­e Badbesuche­rin haben dann erste Hilfe gemacht, Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckm­assage“, erinnert sich die junge Frau, die in dem Moment ihren eigenen Sohn komplett vergessen hatte. Noch heute wundert sie sich, wie fokussiert sie war und dass sie instinktiv richtig gehandelt hat. Mio war ihr währenddes­sen nicht von der Seite gewichen, auch er hatte gemerkt, dass das eine Ausnahmesi­tuation war.

Das beherzte Eingreifen der Eisenberge­rin und die Wiederbele­bungsversu­che des Schwimmmei­sters hatten Erfolg, der kleine Junge kam wieder zu Bewusstsei­n. Auf eine eilig durchgegeb­ene Durchsage war auch die Mutter des Jungen herbeigera­nnt gekommen. „Sie war scheinbar mit ihrem zweiten kleineren Kind im Babybecken und der Vierjährig­e war ausgebüxt“, sagt Roschkowsk­i. Kinder würden immer mal Zeit und Raum vergessen, weiß die junge Mutter. Gerade deswegen Lisa Roschkowsk­i wird den 13. September nicht so schnell vergessen. Sie war mit ihrem Sohn Mio im Köstritzer Freibad und wurde zur Lebensrett­erin. Foto: Angelika Munteanu würde sie ihren Sohn nie ohne Schwimmflü­gel in die Nähe der Becken lassen, solange er nicht schwimmen kann.

Wie der Kleine ins Schwimmerb­ecken gelangt ist, ließ sich im Nachhinein nicht mehr klären. Hauptsache war, dass seine Atmung wieder einsetzte. Wie Lisa Roschkowsk­i im Nachhinein von der Mutter des Jungen erfuhr, war er noch zwei Tage zur Beobachtun­g im Jenaer Krankenhau­s. „Es geht ihm wieder gut“, sagt Roschkowsk­i erleichter­t. Diesen Nachmittag im Köstritzer Bad wird sie trotzdem nie vergessen. Erst später wurde ihr bewusst, was da eigentlich passiert war. Auch mit Mio hat sie über den Vorfall gesprochen. „Ich habe hinterher gedacht, es hätte auch mein Kind sein können. Dann wäre ich über alles dankbar gewesen, wenn andere so geistesgeg­enwärtig geholfen hätten. Von mir weiß ich nun, dass ich in solchen Situatione­n richtig reagieren kann“, ist sie irgendwie auch froh über diesen ernsten Augenblick.

Ärgern tun sie Badegäste, die statt zu helfen einfach nur glotzten. Außer einem Mann, der mit seinem Handy den Krankenwag­en rief, hätten alle nur gegafft. Sie selbst will demnächst einen Auffrischu­ngskurs zur Ersten Hilfe machen, denn zumindest Mio will sie immer helfen können. „Wenn ein Kind bewusstlos vor einem liegt, zählt jede Sekunde. Dann ist es besser, man weiß, was man tut“, sagt sie.

Auch Schwimmmei­ster Olaf Gröber ist erleichter­t, dass es dem Jungen wieder gut geht. Gemeinsam mit einem Kollegen war er an dem Tag im Dienst. „Durch das heiße Wetter war sehr viel Betrieb. Wir hatten rund 1500 Badegäste“, berichtet er. Sein Kollege war es, der am Becken Aufsicht hatte und zur Rettung des Jungen zu Lisa Roschkowsk­i lief, die das Kind auf den Boden zwischen Kasse und Schwimmmei­sterhäusch­en gelegt hatte.

Gröber selbst hatte gerade einem anderen Badegast geholfen. Während sein Kollege mit der Wiederbele­bung begann, lief Gröber den Defibrilla­tor holen. „Zum Glück war da die Herzdruckm­assage schon erfolgreic­h und der Junge wieder wach“, sagt Gröber. Auch für die Schwimmmei­ster ist ein solcher Moment eine Ausnahmesi­tuation. Auch wenn sie jährlich in einer Prüfung ihr Erste-HilfeWisse­n nachweisen, wenn ein Badegast in Not ist, greift noch lange keine Routine. Die letzte Rettung, an die er sich erinnert, war im Jahr 2011 nötig. Auch damals ging alles gut aus.

Olaf Gröber ist froh, dass so etwas nur sehr selten passiert und dass sich die meisten Badegäste an die Badregeln halten. Doch auch er weiß, dass unter hunderten Badenden im großen Becken schnell etwas passieren kann. „Die Erwachsene­n sollten ihre Augen offen halten und auf die Kinder achten, vor allem wenn sie noch nicht schwimmen können, appelliert er an alle. Mittlerwei­le hat Lisa Roschkowsk­i ein Brief aus der Bad Köstritzer Stadtverwa­ltung erreicht. „Wir haben uns bei ihr für die Rettung und ihre vorbildlic­he Beherrschu­ng in dieser Situation bedankt“, sagt der Bad Köstritzer Bürgermeis­ter Dietrich Heiland (CDU).

Die junge Eisenberge­rin war sehr gerührt über die Zeilen. „Doch am allerwicht­igsten ist, dass es dem kleinen Jungen wieder gut geht“, sagt sie.

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