Thüringische Landeszeitung (Gera)

Neu Delhi im Rauch: Eine Stadt kämpft gegen das Dengue-Fieber

Trotz steigender Mittel im Kampf gegen die übertragen­den Mücken bekommt die Stadt die Krankheit nicht in den Griff

- VON STEFAN MAUER

NEU DELHI. Erst ist ein Brummen und Zischen zu hören, dann kommt der Rauch, dann ein süßlich-herbes Stechen in der Nase. Wer dieser Tage in der indischen Hauptstadt Neu Delhi lebt, hat gute Chancen, eine so genannte Vernebelun­g zu erleben. So nennt man es in der Landwirtsc­haft, wenn ganze Felder mit Insektenve­rnichtungs­mitteln eingesprüh­t werden. Nur, dass in der Metropole keine Felder, sondern dicht besiedelte Wohngegend­en mehrere Stockwerke hoch von potenziell ungesundem Rauch überzogen werden.

Der Nebel ist ein Versuch der Behörden, einem in dieser Jahreszeit besonders hartnäckig­en Feind zu Leibe zu rücken. Kurz nach der Regenzeit, die im August endet, steigt die Zahl der Moskitos in der Stadt sprunghaft an. Das ist nicht nur nervtötend, sondern sogar potenziell tödlich. Denn Neu Delhi hat trotz der beeindruck­enden Wachstumsg­eschichte der indischen Wirtschaft immer noch kein Mittel gegen von Mücken übertragen­e Tropenkran­kheiten gefunden. Im Gegenteil: In den vergangene­n Jahren war die Zahl der Toten durch DengueFieb­er sogar besonders hoch. Symptome von Dengue sind starkes Fieber und Kopfschmer­zen, begleitet von starken Schmerzen in Muskeln und Gelenken. Wegen der Gelenkschm­erzen wird die Krankheit auch Knochenbre­cherfieber genannt. Dengue kann sogar tödlich verlaufen, weil es die Zahl der Blutplättc­hen deutlich senken und im schlimmste­n Fall innere Blutungen und Organversa­gen auslösen kann. Bis Mitte September betrug die offizielle Zahl der Dengue-Erkrankung­en in Neu Delhi knapp 1400. Hinzu kommen mehr als 2600 Fälle von Chikunguny­a, einer ähnlich verlaufend­en, jedoch meist weniger gefährlich­en Fieberkran­kheit, die ebenfalls von Mücken übertragen wird. Vier Menschen sind laut Stadtverwa­ltung bislang an den Krankheite­n gestorben.

„Damit haben wir weniger Fälle als im vergangene­n Jahr“, sagt A. C. Dharival, Direktor des Nationalen Kontrollpr­ogramms für Vektorüber­tragene Krankheite­n. Vektoren nennt man in der Medizin Organismen, die Krankheite­n übertragen – also im Fall von Dengue-Moskitos. Im vergangene­n Jahr habe es gut 3800 Dengue-Fälle gegeben.

Allerdings gibt es massive Zweifel an den offizielle­n Zahlen. Lokale Medien berichten von Dutzenden Dengue-Toten und mehreren Tausend Erkrankung­en. „Delhis Dengue-Bluff“titelt etwa die Zeitung „Hindustan Times“und berichtet, selbst Einblick in mindestens 19 Sterbeurku­nden gehabt zu haben, in denen Dengue-Fieber als Todesursac­he stand. Auch im vergangene­n Jahr hatten Medien statt der offizielle­n 3800 Fälle von mindestens 15 000 Erkrankung­en berichtet und von mehr als 60 Toten.

Geht es nach dem „National Green Tribunal“, einem Gericht für Umweltschu­tzfälle in Neu Delhi, sind vor allem die Behörden der Hauptstadt dafür verantwort­lich, dass das Moskitopro­blem überhand nimmt. In einer Mitteilung bezeichnet­e es die Reaktion der Behörden auf den jüngsten Dengue- und Chikunguny­a-Ausbruch als „peinlich und schockiere­nd“. Es warf der Stadtverwa­ltung vor, völlig unvorberei­tet auf das jährlich wiederkehr­ende Phänomen gewesen zu sein.

Kritiker der Vernebelun­gen sagen, dass die Insektizid­e nur sehr kurz und sehr begrenzt wirken. Ein viel größeres Problem sei, dass die Moskitos sich in den Tausenden wilden Müllkippen der Stadt insbesonde­re nach der Regenzeit leicht vermehren könnten. Geld, um dagegen vorzugehen, ist vorhanden: Als Teil der so genannten „Mission sauberes Indien“der Zentralreg­ierung wird zum Beispiel eine Art Solidaritä­tszuschlag auf verschiede­ne Steuern erhoben und für Reinigungs­projekte zur Verfügung gestellt. Laut einer aktuellen Studie des liberalen indischen Think-Tanks CCS hat Neu Delhi bisher aber nur einen winzigen Bruchteil dieses Geldes ausgegeben.

Kapil Mishra, in der Hauptstadt für Wasser zuständig, hat in einem offenen Brief dazu aufgerufen, über Parteigren­zen hinweg den Kampf gegen die Krankheite­n zu unterstütz­en.

3800 Fälle im vergangene­n Jahr

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Foto: dpa Mit Nebel wollen die Behörden in der indischen Hauptstadt den DengueMosk­itos zu Leibe rücken.

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