Thüringische Landeszeitung (Gera)
Zivilgesellschaft soll im Kampf gegen Rechts gestärkt werden
GrüneAbgeordnete Madeleine Henfling bemängelt, dass Engagierte zu wenig Unterstützung erfahren
ILMENAU/ERFURT. Madeleine Henfling (Grüne) schaute kurz einigermaßen betroffen. Denn die Schilderungen, die sie dieser Tage auf ihrer Demokratie-Tour durch Thüringen hörte, lassen nur erahnen, wie groß die Probleme sind, die Menschen in vielen Orten mit Rechtsextremisten haben. Mit Neonazis, die im Ort leben, mit Rechtsrockveranstaltungen, zu denen teils erheblich gewaltbereite Nazis aus der ganzen Republik anreisen, oder eben mit den sintflutartig organisierten Demonstrationen.
„Wer Probleme lösen will, der muss sie auch erkennen. Bei politisch Verantwortlichen kann ich Angstkultur nicht nachvollziehen.“Madeleine Henfling (Grüne), Landtagsabgeordnete
Alltagsrassismus aber ist ein Problem, dass überall geschildert wird. Zuletzt hatte die Opferberatung Ezra wieder Zahlen veröffentlicht, nach denen diese Fälle in Thüringen wieder zunehmen. Ein konkreter Fall, den die Landtagsabgeordnete, die in ihrer Fraktion Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus ist, auf ihrer Tour hörte: In Kahla habe es bereits Polizeieinsätze gegeben, weil Kinder ihre Mitschüler rassistisch beschimpfen und Lehrer es nicht geschafft haben, ohne die Autorität eines Uniformierten, derartige Auseinandersetzungen zu schlichten. Kahla gilt als rechtsextreme Hochburg in Thüringen – als ein Ort, in dem die Menschen den Diskurs aus Angst meiden, wo Kommunalpolitiker nahezu ohnmächtig zusehen, wie sich Neonazis, die hier einige Immobilien besitzen, mit ihren menschenverachtenden Haltungen breit machen.
Dass den gegen Rechtsextreme engagierten Menschen die Unterstützung bei ihrem Einsatz fehlt, das ist ein Punkt, den Madeleine Henfling aus vielen persönlichen Gesprächen der vergangenen Tage mitgenommen hat. Sie kritisiert Kommunalpolitiker und Behörden gleichermaßen und nennt neben Kahla auch den Landkreis Eichsfeld, die Stadt Hildburghausen und Gera als Orte, in denen die gegen Neonazis aufstehenden Menschen kaum Unterstützung erführen. „Dort schaffen es die politisch Verantwortlichen nicht, Engagierte zu unterstützen“, kritisiert sie.
Henfling weist deutlich darauf hin, dass aus ihrer Sicht die „Expertise der Zivilgesellschaft“viel häufiger Gehör finden müsse. Denn diese sei verlässlich. Wenn aus der Zivilgesellschaft heraus Erkenntnisse darüber formuliert würden, wie viele Neonazis bei Konzertveranstaltungen zu erwarten seien, dann allerdings würden sich Behörden damit herausreden, zu sagen, sie bräuchten derlei Zahlen von offizieller Stelle. Wie schnell das schief gehen kann, hat sich im vergangenen Jahr auf negative Weise eindrucksvoll in Hildburghausen gezeigt, wo 200 Polizeibeamte 3500 Nazis gegenüber standen, weil der Informationsfluss zwischen Nachrichtendiensten, Polizei und Ordnungsamt offensichtlich nicht funktioniert hatte.
Ähnlich große Veranstaltungen erwartet die Abgeordnete auch in diesem Jahr. Für Gera bewirbt der „III. Weg“beispielsweise für den 1. Mai eine Veranstaltung zum „Arbeiterkampftag“ und am 1. Juli soll es die Neuauflage des rechtsextremen Musikfestivals „Rock für Deutschland“geben. In Gera, sagt Madeleine Henfling, anerkennend, gebe es eine breite Mobilisierung gegen diese Veranstaltungen „trotz widriger Umstände“, wie sie es nennt und bezieht sich auf eine Mauertaktik im Bezug auf derlei Festivals, die bei Ordnungsämtern spürbar sei. Sie verstehe nicht, warum man mit Engagierten so umgehe und sie in manchen Regionen sogar als Störer deklariere. Es könne nicht sein, meint sie im TLZ-Gespräch, dass Demonstranten abhängig davon seien, wer gerade in der Ordnungsbehörde und bei der Polizei ihr Gegenüber sei. Beispiele kennt hat sie auf der Tour durch Thüringen mehrfach gehört. Ein Vergleich: Während beim NPDEichsfeldtag im vergangenen Jahr Journalisten daran gehindert wurden, ihrer Arbeit nachzugehen und die Polizei dafür eine gerichtliche Klatsche einsteckte, gab es mit Berichterstattungen über ähnliche Events in Jena bisher keine derartigen Probleme mit der Polizei.