Thüringische Landeszeitung (Gera)
Baustellen des neuen Präsidenten
Macron oder Le Pen: Der Gewinner der Stichwahl am 7. Mai in Frankreich muss große Probleme bewältigen
PARIS. Am Ende war es doch überraschend schnell klar: Der unabhängige Emmanuel Macron und die rechtsextreme Marine Le Pen ziehen am 7. Mai in die Stichwahl um die französische Präsidentschaft ein. Das ergaben Hochrechnungen am Sonntagabend nach der ersten Wahlrunde. Am späten Abend ließen sich beide von ihren Anhängern feiern. Doch egal, ob Macron oder Le Pen: Auf den Nachfolger von Präsident François Hollande warten gewaltige Probleme. Hier eine Übersicht über die größten Baustellen und die Rezepte der Bewerber:
Hohe Arbeitslosigkeit
Die dramatische Situation am Arbeitsmarkt ist eine der größten Herausforderungen. Die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent und damit rund zweieinhalb Mal so hoch wie in Deutschland. Emmanuel Macron will die Beschäftigung durch ein öffentliches Investitions-Programm in Höhe von 50 Milliarden Euro ankurbeln. Ein Drittel davon soll in Fortbildungsmaßnahmen für Jugendliche und Arbeitslose fließen. Ferner will er das Arbeitsrecht lockern. Marine Le Pen setzt auf den Schutz heimischer Unternehmen. Firmen, die Ausländer beschäftigen, will sie mit zusätzlichen Abgaben belasten.
Wachstumsschwäche
Frankreichs Wirtschaft kommt nicht in die Gänge. Die Konjunktur hinkte in den vergangenen drei Jahren in der Eurozone hinterher. 2016 lag das Wachstum bei 1,1 Prozent, die Eurozone kam dagegen auf 1,7 Prozent. Neben einem milliardenschweren Investitionsprogramm baut Macron auf eine Angleichung der europäischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. So sollen soziale Mindeststandards erstellt werden. In einem Interview mit dieser Redaktion kritisierte er die deutschen Handelsüberschüsse als „nicht tragbar“und forderte einen Ausgleich. Le Pen will die französische Industrie gegen den rauen Wind der Globalisierung schützen. Sie hat die von US-Präsident Donald Trump geplanten Importzölle gelobt. Darüber hinaus plant sie einen Austritt Frankreichs aus der Eurozone und die Wiedereinführung des Franc. Es soll ein Referendum zum Ausstieg des Landes aus der EU geben.
Schuldenberg
Um die Jahrtausendwende lagen Frankreich und Deutschland beim Schuldenstand gleichauf. Seitdem ist Frankreichs Defizit durch die Decke gegangen. Inzwischen türmt sich der Schuldenberg auf 96 Prozent der Wirtschaftskraft, Tendenz steigend. In Deutschland sind es 68 Prozent, Tendenz sinkend. Macron will die öffentlichen Haushalte durch Strukturreformen entlasten. 60 Milliarden Euro sollen eingespart und 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Im Gegensatz dazu verspricht Le Pen Wohltaten wie eine Herabsetzung des Renteneintrittsalters und eine Erhöhung des Mindestlohns.
Reformstau
Versuche, das Land zu reformieren, stoßen oft auf heftigen Widerstand. Für Betriebe ist es schwer, Entlassungen vorzunehmen. Dies liegt am starken Einfluss der Gewerkschaften. Deshalb ziehen es die Unternehmen vor, neue Stellen auf befristeter Basis zu schaffen. Die 35Stunden-Woche untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie zu starre Vorgaben für Firmen. Macron will erreichen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Betriebsebene über eine Lockerung des Kündigungsschutzes verständigen können. Die 35-StundenWoche soll unangetastet bleiben. Le Pen hält von sozialpolitischen Reformen nichts. Sie plädiert für einen Ausbau des Sozialstaats und Abschottung gegenüber der Globalisierung.
Terror
Die Serie islamistischer Anschläge seit Anfang 2015 hat Frankreich tief erschüttert, 238 Menschen wurden ermordet. Im Land gilt der Ausnahmezustand. Macron sucht den Dialog mit der muslimischen Gemeinde in Frankreich und will Polarisierung vermeiden. Dennoch verlangt auch er 10 000 zusätzliche Polizeistellen zum Schutz gegen den Terror. Le Pen ist das zu wenig: Sie will die Zahl der Ordnungshüter um 15 000 erhöhen. Zudem macht sie sich für härtere Gefängnisstrafen stark. Alle Ausländer, die ein Verbrechen begehen oder eines Vergehens beschuldigt werden, sollen sofort außer Landes gebracht werden.
Einwanderung und Identität
Einwanderung und Integration, der Platz der Religion (und vor allem des Islam) in der Gesellschaft und die Werte der Republik sind in Frankreich seit Jahren ein Reizthema. Das zeigte die aufgeheizte Debatte um lokale Verbote von „Burkinis“(Ganzkörper-Schwimmanzüge für Musliminnen) im vergangenen Sommer an der Côte d’Azur. Macron hat die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gelobt. Doch auch er will keine unbeschränkte Aufnahme von Migranten. Le Pen spricht sich hingegen für einen sofortigen Aufnahmestopp aus.