Thüringische Landeszeitung (Gera)
Grüne Oasen im Stadtgrau schaffen
Gärtnern und Nahrung anbauen im urbanen Raum: Mit der Initiative „GerAcker“soll das Stadtgärtnern in Gera wachsen.
Anlaufpunkt in der FranzMehringStraße
Wer oder was ist Valten Keylhacke? Geht man dieser Frage nach, kommt man dem Geist der „Initiative GerAcker“ganz nahe. Denn die Gruppe von inzwischen fast 20 Geraern versteht sich als weit mehr, als nur eine Ansammlung von Menschen, die sich „Urban Gardening“, also das Gärtnern und Anbauen im städtischen Raum, auf die Fahnen geschrieben hat. Sicher, Natur- und Umweltbewusstsein, der Wunsch nach grünen Oasen im Stadtgrau und der Wille, sich diese Oasen mit gärtnerischer Arbeit selbst zu schaffen, bilden den Rahmen, das Fundament der Initiative. Ebenso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger, ist den Stadtgärtnern aber die soziale Komponente ihres Vorhabens: Zusammenkommen, in Kontakt und Kommunikation miteinander treten, dabei auch den Mut aufbringen, sich auf zunächst Fremde einzulassen. Jeder soll mitmachen können, egal, ob mit dem Grünen Daumen gesegnet oder nicht. Niemand werde gezwungen, irgendetwas zu tun, jeder werde vorurteilsfrei aufgenommen. So könne die Gruppe, die Initiative, die Bewegung ganz organisch wachsen, wie die Pflänzchen, die sie aussäht. Und ein Dünger soll der bewusste Verzicht auf Hierarchien innerhalb der Gruppe sein. Sind Entscheidungen zu treffen, dann stets basisdemokratisch von allen Interessierten. Womit wir wieder bei Valten Keylhacke und seinem weiblichen Pendant Karla Karotte sind. Denn auch gegen einen Sprecher oder ähnliches hat man sich in der Initiative entschieden. Die beiden Namen sind Pseudonyme, mit ihren echten Namen wollen die aufgeschlossenen und auskunftsfreudigen Stadtgärtner nicht in der Öffentlichkeit auftreten.
Soviel zum theoretischen Unterbau der Initiative. Auch ganz Handfestes kann die erst im März durchgestartete Gruppe vorweisen. Wie es der Name „GerAcker“verrät, gibt es bereits einen Acker in der Stadt, der sozusagen der Anlaufpunkt für alle Interessierten ist: eine Brachfläche in der Franz-Mehring-Straße. Auf dem Weg in Richtung Hauptbahnhof linker Hand gelegen, ist das doch überraschend große Areal zunächst leicht zu übersehen. Sucht man danach, findet man es hinter einem schweren Stahltor. Von weitem ist das erste Hochbeet bereits zu erkennen. Den Nutzungsvertrag für die Fläche habe der Geraer Umweltverein Grünes Haus mit dem Eigentümer abgeschlossen. Hier gab es schon erste Einsätze, wurde zum Beispiel die Fläche beräumt und erstes Material zusammengetragen. Mehrere Mülltonnen mit dem Schriftzug „GerAcker“stellte die Gruppe auf, um mit ihnen Regenwasser aufzufangen. Denn als eine der größten Herausforderungen haben die Stadtgärtner ausgemacht, permanent ausreichend Wasser auf den „GerAcker“zu bekommen. Hier habe man verschiedene Überlegungen, die aber noch auf ihre Machbarkeit überprüft werden müssten. Die Initiatoren bezeichnen die Fläche in der Franz-Mehring-Straße als „Mutterstation“. Hier ist Anlauf- und Treffpunkt, soll ein Stadtgarten zum Mitmachen oder einfach zum Ausspannen im Grünen entstehen. Natürlich sei wünschenswert, dass sich der Gedanke in andere Ecken der Stadt ausbreitet. Eine dieser Ecken hat die Initiative gleich selbst in Beschlag genommen.
Auf dem Kornmarkt haben sie um das markante Bäumchen ein Beet angelegt, die Randsteine erneuert und eine Einfassung aus Weidenzweigen gestaltet. Und Mohn und Roggen gepflanzt. Wer ähnliche Ideen für andere Flecken in Gera hat, könne sich gern bei der Initiative melden, die dann im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Rat und Tat zur Seite steht. Am leichtesten funktioniert die Kontaktaufnahme über die Internetseite von „GerAcker“oder direkt bei einem Besuch vor Ort.
Dass Urban Gardening in Gera funktionieren kann, davon sind Valten Keylhacke und Karla Karotte überzeugt, vielleicht sogar noch besser als in größeren Städten, da es hier familiärer zugeht. Außerdem gebe es in Gera ausreichend ungenutzte Flächen, die fürs Gärtnern geeignet wären. Je mehr Geraer sich beteiligen, desto mehr könne auch einer der Grundgedanken des Urban Gardenings in den Köpfen gedeihen: ein Bewusstsein dafür und das Wissen darüber, wie Nahrung umweltschonend und nachhaltig produziert werden kann.