Thüringische Landeszeitung (Gera)
Reisezeitwünsche
Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt – immer für eine Überraschung gut – hat sich, gemeinsam mit der Europäischen Weltraumagentur und der Stiftung Lesen etwas Hübsches ausgedacht: Kinder sollen ihre Wünsche und Träume für die Welt der Zukunft in einer Zeitkapsel deponieren und sie mit dem Astronauten Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation auf Reisen geben.
Dort werden sie die Erde hundert Mal umkreisen und dann, nach fünfzig Jahren, ins Bonner Haus der Geschichte einkehren. Klingt relativ einfach, scheint aber doch kompliziert: Wünsche, die wir aus der Gegenwart in die Zukunft schicken, sind Vergangenheit, wenn sie dort gelesen werden.
Und es kommt noch schlimmer, sie erzählen auch nicht wirklich etwas Neues, sondern bestätigen nur das Alte, das auch wir schon wussten, dass der Mensch sich eine bessere Welt wünscht.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen Glück auf dieser Erde, von der wir träumen – wie es so schön im Liede heißt. Kurz, mehr Luther, weniger Trump.
Aber so ist das, mit der Vergangenheit und der Zukunft, mit dem Reisen und mit dem Wünschen.
Schon als sich vor ein paar tausend Jahren die Vorfahren des Menschen aus dem zentralafrikanischen Hochland auf die Reise nach Europa begaben, wünschten sie sich ergiebigere Jagdgründe, sicherere Höhlen und später besseres Werkzeug, reichlich Holzkohle für den Grill, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und eine Gebietsreform, die dem Stammesgedanken gerecht wird.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Das Wünschen und das Reisen, auch wenn beides heute gern all inklusive angetreten wird, gehören unmittelbar zusammen. Es ist ein urmenschliches Phänomen. Zeit seines Daseins ist der Mensch aus unterschiedlichen Gründen zu unterschiedlichen Zielen unterwegs. Und die Frage, warum, beschäftigt nicht nur die Reisebranche, sondern auch philosophierende Sänger wie Hannes Wader: Heute hier, morgen dort...
Putzig an der Sache ist übrigens, dass auf Werbebildern der Zeitreiseindustrie die Anführer dieser Völkerwanderungen gern als vorausschauende Seher dargestellt werden – eine Hand spähend überm Aug‘, die andere voran Ziel & Zukunft weisend. Das ist irreführend, denn der Mensch ist eher ein Ruderer: Ein Leben lang rackert er sich in seinem Nachen ab, strebt voran, kehrt aber dem Ziel stur den Rücken zu.
Was also sollen wir uns da für die Zukunft wünschen? Wir halten es hier mit dem Kollegen, der darauf antwortete: Dass Königin Elizabeth II. solange weiter regiert, bis die Welt in Ordnung ist.