Thüringische Landeszeitung (Gera)
Landrätin schützt ihre Mitarbeiter
Vorwürfe gegen IlmkreisJugendamt – Nach AltenfeldDoppelmord wird Hausspitze über Bereitschaftseinsätze informiert
ARNSTADT. Der Anlass ist dramatisch. Zwei Kinder mussten ihr Leben lassen, der dritte Junge wird auf ewig seelisch gezeichnet sein. Die Mutter der Kinder leidet nach wie vor an den Folgen der Wahnsinnstat, die sich vor mehr als einem Jahr ereignet hatte. Christian S., Kindsvater und Ehemann der Mutter, wurde für den Mord an den beiden Jungs und den versuchten Mord am dritten Kind im April zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig
Das zuständige Ilmkreis-Jugendamt spielte in dem gesamten Verfahren eine mehr als unglückliche Rolle. Immer wieder tauchten weitere Vorwürfe gegen Mitarbeiter auf, die nahe legten, es könnte in dem Amt etwas nicht stimmen (TLZ berichtete am Samstag). Damit befasst sich nun die Rechtsaufsicht. „Diese Prüfung werden wir aushalten müssen“, sagt Landrätin Petra Enders, die sich seit Tagen in der Verteidiger-Rolle wiederfindet, gestern in Arnstadt.
Mit ihrem Jugendamtsleiter Jens Jödicke hatte sie am Montag ins Landratsamt eingeladen – sie will darstellen, dass die Behörde gut aufgestellt ist und ausreichend Geld für die Jugendarbeit und den Kinderschutz sowie all die weiteren Aufgaben zur Verfügung steht.
Ausgangspunkt bleibt aber die schreckliche Tat von Altenfeld. Bereits zwei Tage zuvor hatte der Vater seine Frau krankenhausreif geschlagen. Die Kinder mussten dabei zu sehen. Der Bereitschaftsdienst des Jugendamtes aber kam nicht, weil die Polizeibeamten vor Ort gesagt haben sollen, dass das nicht notwendig sei.
Jugendamtsleiter Jens Jödicke unterstrich das gestern erneut. Er meint, dass auch die Jugendamtsmitarbeiterin die Kinder nicht aus der Familie genommen hätte – selbst dann nicht, wenn sie vor Ort gewesen wäre. Dass seine eigenen Schilderung aber möglicherweise dem Schutz der Mitarbeiter dient, legt ein anderer Satz des Jugendamtsleiters offen. Auf Nachfrage sagt er, dass im Ergebnis der Aufarbeitung des Falles beschlossen worden sei, dass die Beurteilung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, „künftig nicht von der Polizei übernommen“werden solle. Heißt: Der Bereitschaftsdienst fährt in jedem Fall raus. In dem Fall war es aber genau anders passiert – möglicherweise wäre das Jugendamt zu einem anderen Ergebnis gekommen als die Polizei. Zumal der Gewaltausbruch des Vaters vor der grauenhaften Tat schon ein Wiederholungsfall gewesen ist.
Im Zuge der Aufarbeitung des Falles von Altenfeld hatte es, so Landrätin Enders, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben. Das Landratsamt als Prüfbehörde habe diese aber als unbegründet zurückgewiesen. Enders, sie und die Amtsleitung lassen sich seit Altenfeld über alle Bereitschaftsdiensteinsätze des Jugendamtes direkt informieren und ziehen so das Meldenetz engmaschiger, stellt sich schützend vor ihre Mitarbeiter: „Wir können nur für die Zukunft versichern, dass wir das, was uns das Gesetz an Möglichkeiten gibt, nutzen und voll ausschöpfen.“Überzeugt ist man davon, auch im Fall von Altenfeld alles getan zu haben, was möglich ist. Der Darstellung der Familienhebamme – sie hatte im Prozess vor Monaten ausgesagt, dass Hilfe durch das Jugendamt angefordert aber zurückgewiesen wurde – widerspricht der Jugendamtsleiter.
Im Ilmkreis-Jugendamt wird nach den Richtlinien des Landesjugendamtes gearbeitet. Regelmäßig, so versichert Landrätin Enders, erfolge eine Fortschreibung, da auch eigene Maßgaben dazu kommen. Zwölf Mitarbeiterinnen zählt das Jugendamt in den sozialen Diensten – in sechs Teams kümmern sie sich um die Aufgaben, wozu Prüfung von eventuellen Kindswohlgefährdungen zählt.
„Wir können es nicht ungeschehen machen.“Landrätin Petra Enders (parteilos)