Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Jeder, der in Deutschland lebt, trägt für Geschichte Verantwortung“
Ramelow zur historischen Verpflichtung unabhängig von der Herkunft – Heftige Kritik am Auftreten Brandners jüngst im Zusammenhang mit seinem BuchenwaldBesuch
ERFURT/WEIMAR. Wer erst kurz in Deutschland lebt, kann sich nicht darauf zurückziehen, dass ihn die Historie nichts angehe. Das macht Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) klar. „Jeder, der in Deutschland lebt, trägt für den Umgang mit der Geschichte Verantwortung“, lautet sein Merksatz nicht nur für die Jugend. Damit nimmt er Alteingesessene und Neuzuzügler, Menschen in Ost wie West in die Pflicht für den Umgang mit der Diktatur, die zu „Diskriminierung, Aussonderung, Rassismus bis hin zur Vernichtung geführt hat“. In diesem Zusammenhang macht Ramelow deutlich, „dass wir Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, einladen müssen, diesen Prozess zu gehen. Aber wir selber müssen diese Erkenntnis auch organisieren“, sagt er.
Der Besuch des Thüringer AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner in der Verwaltung der Gedenkstätte Buchenwald jüngst habe gezeigt, „dass es Leute gibt, dies das alles nicht wollen“, also einzustehen für die ganze deutsche Geschichte, so Ramelow. „Die deutsche Verantwortung ist es, aus der NS-Barbarei und dem Kulturbruch die Konsequenz zu ziehen, dass das nie wieder passieren darf. Und die deutsche Verantwortung ist, dass man sich in der Unterschiedlichkeit gerade auch im Hier und Heute aushalten muss“, so der Ministerpräsident. Unabhängig von der Herkunft könnte sich „keiner aus der Verantwortung verabschieden – auch Herr Brandner nicht, auch Herr Höcke nicht. Aber auch kein Muslim, kein jüdischer Zuwanderer“, macht Ramelow die Spannweite deutlich. Um „persönliche Schuld“gehe es dabei nicht. Deshalb seien auch Begriffe wie „Schuldkult“, wie sie in Teilen der AfD verwendet werden, weder richtig noch hilfreich. „Wir tragen Verantwortung, sie mündet in das Grundgesetz – und das Grundgesetz baut auf dieser Verantwortung auf. Und dieses Grundgesetz kennt die auch die Pflicht zur Religionsgewährung und zur Religionsermöglichung“, was wichtig sei mit Blick etwa auf den Moscheebau in Erfurt.
Ramelow betont zudem, dass er „ausdrücklich die Aussage von Mike Mohring begrüßt, nicht mit der AfD nach der Landtagswahl 2019 zu koalieren“. Es nötige ihm „großen Respekt ab, mit welcher Klarheit der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU das ausgeführt hat“– und daher sei es ihm ein Anliegen, Mohring zu signalisieren, dass er diese klare Haltung des Thüringer CDU-Chefs begrüße. „Diese notwendige Klarheit brauchen wir in Zeiten, in denen ein Herr Brandner sich am 8.8.18 dumm stellt gegen die Chiffren der Neonazis und noch einmal einen Beitrag zu leistet, der der ‚Vogelschiss‘-Einlassung“nahe komme. Das alles ist unerhört“, so Ramelows Einschätzung mit Blick auf die AfD.