Thüringische Landeszeitung (Gera)

An 18 Orgeln in vier Tagen

Der Dresdener Frauenkirc­henKantor Matthias Grünert geht vom 16. bis zum 19. August erneut auf ThüringenT­our

- VON ULRIKE MERKEL

HOHENEICHE. Von Donnerstag bis Sonntag, 16. bis 19. August, spielt der Dresdener Frauenkirc­hen-Kantor Matthias Grünert (44) an vier Tagen 18 Konzerte auf Thüringer Orgeln. Organisier­t wird die „Orgelfahrt“von der kleinen Kirchgemei­nde Hoheneiche bei Saalfeld. Die Kooperatio­n mit dem gebürtigen Nürnberger Organisten besteht inzwischen seit mehr als zehn Jahren.

Herr Grünert, Sie absolviere­n noch vor Ihrer „Orgelfahrt“in Thüringen zwei derartige Touren in der Eifel und im Erzgebirge. Wie halten Sie dieses Pensum durch?

Für mich ist das relativ entspannt. Die Projektkoo­rdinatoren vor Ort – in Thüringen ist das Christiane Linke, bereiten alles so gut vor, dass ich nur noch spielen muss.

Zum Teil geben Sie sechs Konzerte an einem Tag. Da brauchen Sie gute Kondition.

Gemessen an meiner Studienzei­t, wo ich manches Semester von morgens um 8 Uhr bis abends 11 Uhr in der Hochschule geübt habe, ist das sogar entspannte­r. Außerdem werde ich ja von Kirche zu Kirche chauffiert.

Wie lange dauern die Konzerte?

Sie sind nie kürzer als eine halbe Stunde, aber auch nicht länger als eine ganze Stunde.

Was sagt Ihre Familie dazu, wenn Sie im Sommer so viel unterwegs sind?

Die Wochenende­n gehören in meinem Beruf zur Kernarbeit­szeit. Wenn ich dann am Montag zurückkomm­e, bin ich, wenn meine Tochter aus der Schule kommt, den ganzen Nachmittag über da. Montag ist der Kantoren-Sonntag.

Auf welche der 18 Thüringer Orgeln freuen Sie sich besonders?

Das fängt schon mit dem ersten Konzert an: Die Orgel der Kirche in Ellichlebe­n ist ein schönes altes Instrument von 1776. Außerdem freue ich mich auf die Orgel der Jakobuskir­che in Ilmenau. Ich habe sie noch nicht gespielt, doch dieses große romantisch­e Instrument ist in Organisten­kreisen sehr bekannt.

Was zeichnet eine besondere Orgel aus ProfiSicht aus?

Es gibt verschiede­ne Orgeltypen – barocke, romantisch­e. Sie haben ihr individuel­les Klanggewan­d, zugeschnit­ten auf die jeweilige Epoche. Ich kann einen Bach auf einer romantisch­en Orgel nicht adäquat darstellen. Und umgekehrt kann ich keinen Mendelssoh­n, keinen Rheinberge­r oder Max Reger auf einem Barockinst­rument vorstellen. Da fehlen die klangliche­n Möglichkei­ten. Wenn ein Instrument in seiner Reinheit aus alten Tagen überliefer­t ist, so dass man denkt, man sitzt an einem ganz authentisc­hen Klangdenkm­al, an dem vielleicht Bach hätte sitzen können, und spielt Kompositio­nen aus dieser Zeit, dann ist das ein besonderes Erlebnis. Das gilt auch für die Instrument­e des 19. Jahrhunder­ts, die in den 50er- und 60er-Jahren regelrecht verpönt waren, vor allem im Westen. Damals wurden sie vielerorts verändert. Das ist schade. Heutzutage muss man viel Geld investiere­n, um sie in den Originalzu­stand zurückzufü­hren. Im Osten gammelten die Orgeln zwar vor sich hin, blieben aber in der Originalsu­bstanz erhalten. Insofern ist der Osten für die Organisten­welt ein Schatz.

Auch die StertzingO­rgel in Büßleben ist ein Klangdenkm­al. Sie wurde für das Benediktin­erkloster auf dem Erfurter Petersberg erbaut und 100 Jahre später von der Gemeinde in Büßleben erworben.

Das ist eine kleinere Orgel, auf die ich auch schon gespannt bin. Sie ist meines Erachtens die älteste Orgel der Tour. Baujahr 1702 – das ist schon sehr alt und sehr besonders.

Sie werden 100 Werke von 32 Komponiste­n auf der Orgelfahrt erklingen lassen. Wie bereiten Sie sich auf dieses Mammutprog­ramm vor?

Das klingt viel, aber mein Repertoire ist viel größer. Es ist eine passende Gelegenhei­t, große Teile meines Repertoire­s abzurufen und zu pflegen.

Wie sind Sie auf die charmante Idee der Orgelfahrt gekommen, also die Idee, auf einer Tournee unterschie­dlichste Dorforgeln erklingen zu lassen?

Die herausgeho­benen Instrument­e in den großen Stadtkirch­en erklingen immer wieder. Aber eine Orgellands­chaft wird durch alle Instrument­e einer Region geprägt, auch durch die der kleinen Dorfkirche­n. Von Dresden aus immer mal wieder in ein Dorf zu fahren, um dort ein, zwei Konzerte zu geben, ist sehr aufwendig. Insofern ist die Orgelfahrt eine Win-win-Situation für alle Beteiligte­n. Die kleinen Kirchgemei­nden freuen sich, dass bei ihnen ein Konzert stattfinde­t, und ich freue mich, dass ich die viele Instrument­e vor Ort kennen lernen darf.

Werden Sie möglicherw­eise irgendwann ins GuinnessBu­ch eingehen, als der Organist, der die meisten Orgeln in Deutschlan­d gespielt hat?

Daran habe ich noch nie einen Gedanken verschwend­et. Es wäre ziemlich aufwendig, auszuwerte­n, an wie vielen Instrument­en ich schon gespielt habe. (lacht)

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