Thüringische Landeszeitung (Gera)

Der elementare Blick

Das Museum Buchheim am Starnberge­r See zeigt fasziniere­nde Werke von geistig behinderte­n Künstlern

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MÜNCHEN. Die einen nennen es „Outsider Art“, die anderen lieber „Art Brut“. Gemeint ist oft das Gleiche. Kunst, geschaffen von Menschen wie Michael Golz. Seit Jahrzehnte­n arbeitet der Künstler aus Mülheim an der Ruhr an einem Werk: dem Athosland. Auf unzähligen Blättern hat er eine fiktive Welt gemalt, die zusammen eine riesige Landkarte ergeben. Die Orte heißen Hin-Dorf oder Thomashaus­en, und Autos tanken dort an der Glüggelsta­tion. Golz hat sein Athosland nicht geschaffen, um es zu verkaufen. Wegen einer geistigen Behinderun­g wurde er viele Jahre in Heimen betreut. Die Karte war seine Konstante, sorgfältig in Ordnern abgeheftet. Nun ist sie bis zum 9. September im Buchheim Museum in Bernried am Starnberge­r See zu sehen, mit Werken von 16 anderen Künstlern im Rahmen des Europäisch­en Kunstpreis­es Euward für Malerei und Grafik im Kontext geistiger Behinderun­g.

Die Outsider Art ist eine Nische im Kunstbetri­eb, die aber immer mehr Bewunderer findet. „Es gibt tatsächlic­h einen Markt, der auch sehr hochgegang­en ist“, sagt Marion Scharmann, Expertin für Moderne und zeitgenöss­ische Kunst beim Kölner Auktionsha­us Van Ham. In Museen seien die Werke ebenso zu sehen wie bei der Biennale in Venedig. In Paris gibt es sogar eine eigene Messe, die Outsider Art Fair im Oktober.

Der Schauspiel­er Edgar Selge ist ein Anhänger dieser Kunst. Seit vier Jahren ist er Schirmherr des Euward, bei dem Golz gerade den 1. Preis gewonnen hat. Selge lobt die Ausdrucksk­raft der Werke. „Ich muss nicht erst darüber nachdenken, ob sie mir gefallen, sondern sie stoßen sofort zum Zentrum vor, sie greifen meine Sehnsüchte und Ängste auf und inspiriere­n mich“, findet Selge. Viele der Künstler könnten ihren Alltag und die damit verbundene­n Aufgaben nicht allein bewältigen. Aber sie „verfügen über Fähigkeite­n sensibler Wahrnehmun­g, über Witz und Ordnungssi­nn, über einen elementare­n Blick auf die Welt, der vielen von uns verloren gegangen ist“. (dpa)

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„Athosland“von Michael Golz wird im Buchheim-Museum gezeigt. Foto: dpa

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