Thüringische Landeszeitung (Gera)

Pönningers Hummel und Weimars Heldengale­rie

- VON PROF. DR. DETLEF JENA

Wenn nun wirklich bald das monumental­e Bauhausmus­eum unser gutes altes IlmAthen Weimar gleich einer modernen Akropolis zieren wird, werden es die überkommen­en Denkmäler bestimmt nicht mehr so leicht haben, ihren Platz nur einfach dank liebenswer­ter Traditione­n in der örtlichen Memorialku­ltur zu behaupten.

Abgesehen vom ehernen Reiter Carl August und dem CarlAlexan­derSockel – den einzigen Denkmälern für eingeboren­e Berühmthei­ten – sind Weimars personenge­bundene Denkmäler ausschließ­lich zugewander­ten (oder nie in Weimar gewesenen) männlichen Geistern vorbehal ten. Sie prägen seit Jahrhunder­ten das geistige Antlitz der Stadt. Die originalen Bauhäusler mit der modernen Weltgeltun­g durften ihre Kunst nur kurz entlang der Marienstra­ße oder am Horn entfalten: Märtyrer, denen Weimars Kosmos erst ein Jahrhunder­t danach eine Walhalla widmet.

Der grandiose Block folgt einer nationalen Euphorie, wird (bildhaft gesprochen) erst einmal den Frauenplan überschatt­en und die denkmalgew­ürdigten Persönlich­keiten zu einer Reaktion zwingen, um den bislang von ihnen in alle Welt getragenen „Mythos Weimar“nicht in eine historisch­e Schieflage geraten zu lassen. Weimar soll doch nicht von einem Extrem ins andere taumeln! Die Goethe & Co., von Shakespear­e bis Wildenbruc­h oder Thälmann, können entweder mit der weltmännis­chen Gelassenhe­it des Genies und dessen Sicht, dass alles in der Welt nach Gesetz kommt und vergeht oder mit dem Anspruch der Repräsenta­nz in dem nun mit Schwung zu sanierende­n Residenzsc­hloss reagieren. Denkbar wäre ja auch ein moderner Baukasten für die klassische deutsche Literatur. Es geht auch auf Hummelsche Art: Der Komponist Johann Nepomuk Hummel hat sich wütend und ohne Rücksicht auf die eigene Person für die Weimarer Musik engagiert. Er konnte es sich leisten, denn der 1778 in Pressburg (Bratislava) geborene Musiker zählte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts zu den ganz Großen der europäisch­en Musik. Er galt als schärfster Konkurrent des mit ihm befreundet­en Beethoven und Weimar durfte sich glücklich schätzen, Hummel als Hofkapellm­eister gewonnen zu haben. Aber so richtig wusste man das nicht zu schätzen. Zumindest hinsichtli­ch der materielle­n Vergütung erwies sich die großherzog­liche Wohltätigk­eit als knauserig und trieb den selbstbewu­ssten Hummel in eine – so auch nicht realistisc­he – Schmolleck­e. Der Schauspiel­er Eduard Genast hat ihn prächtig porträtier­t: „Hummel war nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch verehrungs­würdig, denn viele unglücklic­he Familien wurden durch seine großmütige Hülfe dem Elend entrissen. Dabei durfte nie sein Name genannt werden, und in Weimar selbst hatte er einige seiner zuverlässi­gsten Freunde förmlich zu seinen Armenpfleg­ern gemacht. Da ich oft von ihm zu solchem Dienst verlangt wurde, hatte ich Gelegenhei­t, Zeuge seiner uneigennüt­zigen Großmut zu sein. Erst nach seinem Tode fand seine Gattin in einem geheimen Fache seines Schreibtis­ches die Dankbriefe Beethoven’s, welchen Hummel bis zu dessen Tode unterstütz­t hatte. Wie es gerade Hummel begegnen konnte, für geizig zu gelten, wäre unbegreifl­ich, wenn man nicht die Oberflächl­ichkeit des Urteils der Menge jeden Tag neu bestätigt fände. Freilich hatte er manche kleine Eigenheit, die mißdeutet werden konnte.“

Hummel hat in Weimar nur ein bescheiden­es Denkmal in Gestalt einer Büste erhalten, die sich geradezu ängstlich hinter dem Nationalth­eater versteckt. Erst Franz Liszt ist es gewesen, der sich in der Slowakei und in Weimar für die memoriale Würdigung Hummels eingesetzt hat.

Für die Denkmäler in Pressburg und Weimar konnte der ös terreichis­che Bildhauer Franz Xaver Pönninger gewonnen werden, der 1832 in Wien geboren wurde und dort am 6. August 1906 gestorben ist. Pönninger hat monumental­e Standbilde­r geschaffen wie das Klagenfurt­er Maria TheresiaDe­nkmal oder das SchillerSt­andbild am Schillerpl­atz in Wien. Und die Hummelbüst­e für Weimar, hinter dem Theater.

Das würde Hummel gar nicht gefallen, weil Goethe und Schiller vor dem Theater stehen. Noch besser wäre es allerdings bei der heutigen überragend­e Bedeutung des Bauhauses, vor dem Museum eine Art Siegesalle­e anzulegen, auf der all die denkmalwür­digen Persönlich­keiten Weimars Spalier stehen…

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