Thüringische Landeszeitung (Gotha)
GroKo, letzter Akt
Beim Koalitionsgipfel zeigen Union und SPD, dass es ihnen vor allem um eines geht: den Start in den Wahlkampf
Horst Seehofer gefällt der Abend. Am Morgen danach spottet er im Kreis der CSU-Abgeordneten, er habe die Erkenntnis gewonnen, „dass niemand über Wasser laufen kann“. Jeder weiß, wen der CSU-Chef meint: Martin Schulz, der als neuer SPD-Vorsitzender am Mittwochabend im Kanzleramt seinen ersten Koalitionsausschuss hinter sich gebracht hat. Schulz wäre gern darum herumgekommen. Auch ist es fraglich, ob er sich noch einmal von Angela Merkel (CDU) ins Kanzleramt bitten lässt.
Es ist 2.30 Uhr, als die Parteiund Fraktionschefs der großen Koalition, kurz GroKo, auseinandergehen. Die Liste der verhinderten Beschlüsse ist eindrucksvoller als die der Einigungen. Bei Gerechtigkeitsfragen, den „Herzensangelegenheiten der SPD“, kommt man nicht zusammen. Da sei er beim Partner an „ideologische Grenzen“gestoßen, so SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Was liegen blieb, was angepackt wurde: Gescheitert: Begrenzung von Gehältern Obwohl sich die Koalition darin einig ist, dass astronomischen Jahresgehältern in Chefetagen ein Riegel vorgeschoben werden soll, scheitert ein Kompromiss. Die SPD will, dass die Unternehmen Managergehälter nur bis 500 000 Euro steuerlich absetzen können. CDU und CSU geht das zu weit. Sie wollen nur für mehr Transparenz sorgen. Gescheitert: Ehe für alle Die SPD fordert, dass die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Partnern offensteht. In der CDU gibt es Vorbehalte, vor allem bei der CSU. Die Ehe sei definiert als Gemeinschaft von Frau und Mann. Punkt. Gescheitert: Gebäudeenergiegesetz Die Wirtschaft ist sauer, dass es keinen Kompromiss gibt. „Verbraucher und Investoren verlieren wertvolle Zeit. Damit muss die Energiewende weiter auf die Wärmewende warten“, sagte Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Mit dem Gesetz sollten ab 2019 Standards zum Energiesparen für den Neubau von NichtWohngebäuden der öffentlichen Hand festgelegt werden. Gescheitert: Rückkehr in Vollzeit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) möchte das Recht auf befristete Teilzeit- und Rückkehr in Vollzeitarbeit festschreiben. In der Union wird kritisiert, dass ein solcher Anspruch ab einer Betriebsgröße von 15 Beschäftigten dem Mittelstand schaden würde. Vorstellen können sich die Konservativen diese Regelung erst ab 200 Mitarbeitern. Gescheitert: Leichtere Abschiebung Asylbewerber sollten nach dem Willen der Union leichter abgeschoben werden können, wenn sie in größerem Stil nach falschen Angaben staatliche Hilfszahlungen bezogen haben. Die SPD stellte sich quer. Gelungen: Verbot von Kinderehen Der Ausschuss bestätigt die Einigung der Koalitionsfraktionen auf ein Verbot von Kinderehen. Danach sollen alle Ehen von Menschen unter 16 Jahren für nichtig erklärt werden. Das gilt auch für im Ausland geschlossene Ehen. Generell sollen Ehen erst im Alter von 18 Jahren geschlossen werden dürfen. Das Gesetz soll nächste Woche ins Kabinett. Gelungen: Mehr Schutz vor Einbrechern Der Einbruch in eine „dauerhaft genutzte Privatwohnung“soll mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft bestraft werden. Justizminister Heiko Maas (SPD) hat Bedenken, weil damit Wohnungseinbrüche härter als eine Körperverletzung bestraft würden. Die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Joachim Herrmann (CSU) halten dagegen und setzen sich durch.