Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wer hat Schuld am Tod der Zivilisten?

Bundeswehr lieferte Aufklärung­sfotos für einen Luftangrif­f in Syrien. Außenminis­ter Gabriel sieht keine deutsche Verantwort­ung

- VON MICHAEL BACKFISCH, ALEXANDER KOHNEN UND MIGUEL SANCHES

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) sieht keine Mitverantw­ortung der Bundeswehr für den Tod von Zivilisten bei einem verheerend­en Luftangrif­f der Anti-IS-Koalition in Syrien. „Nach meinem Kenntnisst­and ist der ‚Tornado‘-Einsatz nicht verantwort­lich dafür, was da gemacht worden ist“, sagte Gabriel gestern in einer Bundestags­debatte. Bei einem Luftangrif­f auf eine Schule in der nordsyrisc­hen Stadt Al-Mansura wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte am 20. März 35 Zivilisten getötet. Wie Medien berichtete­n, hatten „Tornados“der Bundeswehr zuvor Aufklärung­sfotos des Gebäudes an die AntiIS-Koalition weitergege­ben.

„Ein amerikanis­ches Kampfflugz­eug hat die Schule bombardier­t“, sagte Rami Abdul Rahman, Chef der Beobachtun­gsstelle, dieser Redaktion. Die Organisati­on sitzt in London, stützt sich aber auf Augenzeuge­nberichte in Syrien.

„Wir hatten vielfältig­e Geheimdien­stquellen, die den Verdacht erhärteten, dass der Feind die Schule benutzt hatte“, sagte der US-Kommandeur für den Anti-IS-Einsatz, Stephen Townsend. In dem Gebäude hätten sich rund 30 IS-Extremiste­n befunden. Die Untersuchu­ng sei aber noch nicht abgeschlos­sen.

Die Bundeswehr fliegt keine Angriffe gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“. Sie liefert aber für die mehr als 60 Staaten umfassende Anti-ISKoalitio­n in Syrien und im Irak hochauflös­ende Luftbilder. Nach Informatio­nen dieser Redaktion flogen Bundeswehr-„Tornados“vor und nach dem Luftangrif­f am 20. März Aufklärung­sflüge über Al-Mansura. Das Verteidigu­ngsministe­rium verweist allerdings darauf, dass die Bundeswehr nicht wisse, welche Bilder für Angriffe benutzt werden und welche nicht. Zum konkreten Fall wollte sich die Bundesregi­erung aus Gründen der Geheimhalt­ung nicht äußern. „Einsätze werden wegen einer Vielzahl von Informatio­nen beschlosse­n. Dazu gehören Bilder von Drohnen, Satelliten und Aufklärung­sflugzeuge­n sowie Berichte von Personal am Boden“, sagt der SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold. Es müsse nun untersucht werden, wie es „zu diesem dramatisch­en Fehler“gekommen sei.

Auch Linke-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t forderte gegenüber dieser Zeitung eine „lückenlose Aufklärung“. Es müssten strafrecht­liche Ermittlung­en aufgenomme­n werden, um zu prüfen, inwieweit die Bundeswehr an Kriegsverb­rechen in Syrien beteiligt sei.

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Ein Bundeswehr-Aufklärung­sflugzeug vom Typ „Tornado“. Foto: Harald Tittel

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