Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Im Westen nichts Neues
DopingEnthüllungen ohne Überraschung
Im Westen nichts Neues! Das ist die Quintessenz der Dissertation des Apothekers Simon Krivec zum Doping in der alten Bundesrepublik. Alles schon bekannt. Bereits 1991, vor 26 Jahren, hatte Brigitte Berendonk in ihrem berühmten Buch „DopingDokumente“die bundesdeutsche Wirklichkeit schonungslos entlarvt und im Gespräch mit dieser Zeitung auch die Rolle des heutigen Finanzministers und einstigen sportpolitischen Sprechers der UnionsBundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, benannt: Wenn der Leistungssport Dopingmittel braucht, dann soll er sie bekommen. Auch im Westen stand der Staat hinter allem. Passiert ist seitdem nichts. Die Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbundes, der die Veröffentlichung von Krivec als wichtige Erkenntnis zur Enthüllung westdeutscher Dopingpraktiken ansieht, erscheint deshalb ein bisschen naiv. Und der fromme DOSB Wunsch nach lückenloser Aufklärung der Vergangenheit und den daraus, bitteschön, zu ziehenden Lehren, wirkt wie der fußstampfende Protest, bei anhaltendem Regenwetter Sonne zu fordern.
Jahrelang hat es sich der Westen bequem eingerichtet und mit dem Finger Richtung Osten gezeigt. Dabei waren sie ja im Wesen vereint: Drüben hat die Politik generös weggeschaut, hüben die Partei alles geregelt. Die Doper Ost gegen die Doper West auszuspielen, bringt deshalb nichts. Gewissenlos waren beide. Und die Frage aller Fragen, die damals stand, steht bis heute. Krivec hat sie vor dem Hintergrund der aktuellen Leistungssportreform im deutschen Sport nur noch einmal neu formuliert. Wenn Medaillen über Förderung entscheiden: Wie groß ist der Anreiz, alles dafür zu tun, zu den Besten zu gehören? Es ist das alte Dilemma der Hochleistungsbranche. Das unlösbare.