Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Siegesmund: „Wald ist für mich mehr als ungesägte Bretter“
Umweltministerin stellt Kompromiss auf dem Weg zur Waldwildnis in Aussicht – Eigentümer erbost
Hängt das Wohl und Wehe der Waldwirtschaft und der Entwicklung der heimischen Fauna und Flora ab vom Entscheid, welchen Schutzstatus demnächst der Possen bei Sondershausen hat? Ist Waldwildnis ein Irrweg?
Bei manchen hört sich das so an. Ein breites Bündnis vom naturinteressierten und heimatliebenden Bürger bis zum HolzUnternehmer sammelt Unterschriften, meldet sich bei Anhörungen zu Wort, protestiert. Und sie scheinen einen ersten Erfolg erzielt zu haben: ForstStaatssekretär Klaus Sühl (Linke) rechnete jüngst vor, dass eigentlich nur noch 1200 Hektar im Land fehlten, um das rot-rotgrüne Schutzziel zu erreichen.
Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) aber lässt sich bei ihrem Vorhaben nicht aus der Ruhe bringen – und prägt dazu den schönen Satz: „Ein Wald ist für mich mehr als ungesägte Bretter.“Es gehe auch um Erholung und Naturschutz. Siegesmund rechnet anders als Sühl – und das hat erstens mit der Frage zu tun, wie groß die Naturerbeflächen sind, die Thüringen erhält. Und zweitens setzt sie die Aufregung in Relation zur Gesamtfläche: Am Ende gehe es um 0,3 Prozent Fläche, die gänzlich aus der Bewirtschaftung genommen werden sollen.
Sühl hatte gesagt, es gebe noch keine Einigung zwischen Umwelt- und Forstministerium in dieser Frage. Der Staatssekretär sieht die im Koalitionsvertrag vereinbarten 25 000 Hektar Wald, die aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden sollen, im Prinzip bereits als erreicht an. „18 000 Hektar Wald sind, auch dank der Vorgängerregierung, bereits stillgelegt, hinzu kommen 7000 Hektar Naturerbeflächen, die der Bund an Stiftungen übertragen hat“, sagte Sühl.
Um die exakt zwischen den Koalitionsfraktionen vereinbarten 26 183 Hektar Stilllegungsfläche in Thüringen zu erreichen, fehlten also lediglich noch etwa 1200 Hektar, so Sühl. Daher sehe man im Forstministerium auch keine Notwendigkeit, die vom Umweltministerium geforderte Stilllegung von 2500 Hektar Buchenwäldern in der Hainleite und am Possen im Kyffhäuserkreis umzusetzen. Die Rechnung von Umweltministerin Siegesmund geht so: Von den 7000 Hektar Naturerbeflächen, die der Bund an Stiftungen bis 2030 übertragen will, seien nur 3000 Hektar sicher. „Dieses Delta der 4000 Hektar müssen wir füllen.“Mit den 1200 Hektar stehen also insgesamt 5200 Hektar aus. „Deshalb wir noch Diskussionsbedarf“. macht die Grüne deutlich. „Wir werden dies zwischen Ende Mai und Anfang Juni ausloten und zu Ende führen“, hat sie das Spitzentreffen mit Forstministerin Birgit Keller (Linke) im Blick. Siegesmund verspricht eine „saubere Rechnung“– und ist guten Mutes: „Wir werden den Kompromiss hinbekommen.“
Derweil will die CDU-Landtagsfraktion Naturschutzorganisationen und Stiftungen in die Pflicht nehmen. Egon Primas, CDU-Fraktionsvize fordert die Landesregierung dazu auf, sämtliche Flächen des Nationalen Naturerbes in Thüringen sofort und vollständig als Stilllegungsflächen anzurechnen. „Es gibt zahlreiche Naturschutzorganisationen und Stiftungen, die selbst Wald besitzen, ihre Wälder aber aktiv nutzen und sich bislang nur in überschaubarer Weise zum Nutzungsverzicht bei diesen Flächen bekannt haben. Hier muss die Landesregierung jetzt ansetzen“, so Primas. Primas betont, dass sich die CDU-Fraktion grundsätzlich zur der bereits im Koalitionsvertrag von 2009 vereinbarten Stilllegungsfläche von 25 000 Hektar bekenne. Zugleich wirft er Siegesmund vor, dass „sie mit ihren ideologiegetriebenen Plänen ausgerechnet diejenigen gegen sich aufbringt, die am meisten vom Wald verstehen“.
Im Forstministerium waren jüngst – wie berichtet – Unterschriften von 3629 Privatwaldbesitzern aus allen Regionen Thüringens entgegengenommen worden. „Wir fordern im Namen von etwa 40 000 Beschäftigten in der Thüringer Forst- und Holzwirtschaft und von 200 000 Waldeigentümern auf weitere Stilllegungen zu verzichten“, erklärte der Präsident des Landesverbandes der Privatwaldbesitzer, Jörg Göring, bei der Gelegenheit.
Thüringenforst hatte der Stilllegung von 25 000 Hektar Wald zugestimmt, lehnt aber die großflächigen Urwaldpläne für den Possen in Sondershausen ab.
„95 Prozent der Waldfläche können weiter bewirtschaftet werden“, sagt Siegesmund. Besonderen Schutz sollen 5 Prozent der Waldfläche erfahren – und davon nur 2 Prozent werden nach ihren Angaben komplett aus der Nutzung genommen. Wenn es um Waldwildnis geht, „reden wir also – alles in allem – über höchstens 0,3 Prozent der Fläche Thüringens“, so Siegesmund. Und für deren Schutz wird sie weiter streiten...
„95 Prozent der Waldfläche können weiter voll bewirtschaftet werden. Wir reden also – alles in allem – über höchstens 0,3 Prozent der Fläche, die komplett aus der Nutzung genommen wird.“ Anja Siegesmund, Umweltministerin