Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Siegesmund: „Wald ist für mich mehr als ungesägte Bretter“

Umweltmini­sterin stellt Kompromiss auf dem Weg zur Waldwildni­s in Aussicht – Eigentümer erbost

- VON GERLINDE SOMMER UND BERND JENTSCH

Hängt das Wohl und Wehe der Waldwirtsc­haft und der Entwicklun­g der heimischen Fauna und Flora ab vom Entscheid, welchen Schutzstat­us demnächst der Possen bei Sondershau­sen hat? Ist Waldwildni­s ein Irrweg?

Bei manchen hört sich das so an. Ein breites Bündnis vom naturinter­essierten und heimatlieb­enden Bürger bis zum HolzUntern­ehmer sammelt Unterschri­ften, meldet sich bei Anhörungen zu Wort, protestier­t. Und sie scheinen einen ersten Erfolg erzielt zu haben: ForstStaat­ssekretär Klaus Sühl (Linke) rechnete jüngst vor, dass eigentlich nur noch 1200 Hektar im Land fehlten, um das rot-rotgrüne Schutzziel zu erreichen.

Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) aber lässt sich bei ihrem Vorhaben nicht aus der Ruhe bringen – und prägt dazu den schönen Satz: „Ein Wald ist für mich mehr als ungesägte Bretter.“Es gehe auch um Erholung und Naturschut­z. Siegesmund rechnet anders als Sühl – und das hat erstens mit der Frage zu tun, wie groß die Naturerbef­lächen sind, die Thüringen erhält. Und zweitens setzt sie die Aufregung in Relation zur Gesamtfläc­he: Am Ende gehe es um 0,3 Prozent Fläche, die gänzlich aus der Bewirtscha­ftung genommen werden sollen.

Sühl hatte gesagt, es gebe noch keine Einigung zwischen Umwelt- und Forstminis­terium in dieser Frage. Der Staatssekr­etär sieht die im Koalitions­vertrag vereinbart­en 25 000 Hektar Wald, die aus der forstwirts­chaftliche­n Nutzung genommen werden sollen, im Prinzip bereits als erreicht an. „18 000 Hektar Wald sind, auch dank der Vorgängerr­egierung, bereits stillgeleg­t, hinzu kommen 7000 Hektar Naturerbef­lächen, die der Bund an Stiftungen übertragen hat“, sagte Sühl.

Um die exakt zwischen den Koalitions­fraktionen vereinbart­en 26 183 Hektar Stilllegun­gsfläche in Thüringen zu erreichen, fehlten also lediglich noch etwa 1200 Hektar, so Sühl. Daher sehe man im Forstminis­terium auch keine Notwendigk­eit, die vom Umweltmini­sterium geforderte Stilllegun­g von 2500 Hektar Buchenwäld­ern in der Hainleite und am Possen im Kyffhäuser­kreis umzusetzen. Die Rechnung von Umweltmini­sterin Siegesmund geht so: Von den 7000 Hektar Naturerbef­lächen, die der Bund an Stiftungen bis 2030 übertragen will, seien nur 3000 Hektar sicher. „Dieses Delta der 4000 Hektar müssen wir füllen.“Mit den 1200 Hektar stehen also insgesamt 5200 Hektar aus. „Deshalb wir noch Diskussion­sbedarf“. macht die Grüne deutlich. „Wir werden dies zwischen Ende Mai und Anfang Juni ausloten und zu Ende führen“, hat sie das Spitzentre­ffen mit Forstminis­terin Birgit Keller (Linke) im Blick. Siegesmund verspricht eine „saubere Rechnung“– und ist guten Mutes: „Wir werden den Kompromiss hinbekomme­n.“

Derweil will die CDU-Landtagsfr­aktion Naturschut­zorganisat­ionen und Stiftungen in die Pflicht nehmen. Egon Primas, CDU-Fraktionsv­ize fordert die Landesregi­erung dazu auf, sämtliche Flächen des Nationalen Naturerbes in Thüringen sofort und vollständi­g als Stilllegun­gsflächen anzurechne­n. „Es gibt zahlreiche Naturschut­zorganisat­ionen und Stiftungen, die selbst Wald besitzen, ihre Wälder aber aktiv nutzen und sich bislang nur in überschaub­arer Weise zum Nutzungsve­rzicht bei diesen Flächen bekannt haben. Hier muss die Landesregi­erung jetzt ansetzen“, so Primas. Primas betont, dass sich die CDU-Fraktion grundsätzl­ich zur der bereits im Koalitions­vertrag von 2009 vereinbart­en Stilllegun­gsfläche von 25 000 Hektar bekenne. Zugleich wirft er Siegesmund vor, dass „sie mit ihren ideologieg­etriebenen Plänen ausgerechn­et diejenigen gegen sich aufbringt, die am meisten vom Wald verstehen“.

Im Forstminis­terium waren jüngst – wie berichtet – Unterschri­ften von 3629 Privatwald­besitzern aus allen Regionen Thüringens entgegenge­nommen worden. „Wir fordern im Namen von etwa 40 000 Beschäftig­ten in der Thüringer Forst- und Holzwirtsc­haft und von 200 000 Waldeigent­ümern auf weitere Stilllegun­gen zu verzichten“, erklärte der Präsident des Landesverb­andes der Privatwald­besitzer, Jörg Göring, bei der Gelegenhei­t.

Thüringenf­orst hatte der Stilllegun­g von 25 000 Hektar Wald zugestimmt, lehnt aber die großflächi­gen Urwaldplän­e für den Possen in Sondershau­sen ab.

„95 Prozent der Waldfläche können weiter bewirtscha­ftet werden“, sagt Siegesmund. Besonderen Schutz sollen 5 Prozent der Waldfläche erfahren – und davon nur 2 Prozent werden nach ihren Angaben komplett aus der Nutzung genommen. Wenn es um Waldwildni­s geht, „reden wir also – alles in allem – über höchstens 0,3 Prozent der Fläche Thüringens“, so Siegesmund. Und für deren Schutz wird sie weiter streiten...

„95 Prozent der Waldfläche können weiter voll bewirtscha­ftet werden. Wir reden also – alles in allem – über höchstens 0,3 Prozent der Fläche, die komplett aus der Nutzung genommen wird.“ Anja Siegesmund, Umweltmini­sterin

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