Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Stengeles letzte Inszenierung in Altenburg
Schauspieldirektor bringt „Cohn Bucky Levy – Der Verlust“als internationales Projekt an Originalschauplätze – 21 Nachfahren zu Besuch
Für Schauspieldirektor Bernhard Stengele schließt sich heute der Kreis. Mit „Die im Dunkeln“von der Stückautorin Mona Becker hat er 2014 erstmals ein Stück politische Regionalgeschichte auf die Ostthüringer Theaterbühne gebracht. Ab heute, als sein letzter großer Wurf, bevor er das Theater Altenburg-Gera zum Ende der Spielzeit verlässt, steht mit „Cohn Bucky Levy – Der Verlust“wieder ein bemerkenswertes Stück mit regionaler und internationaler Bedeutung unter seiner Regie auf dem Spielplan. Und auch die neue Stückentwcklung basiert auf dem Text von Mona Becker, der unter Mitarbeit der Co-Autoren Gabriela Aldor und Mahmoud Abo Arisheh sowie Beiträgen des Ensembles weiterentwickelt wurde. Das Stück wird zweifelsohne große Beachtung finden, so wie andere Projekte Stengeles, beispielsweise die „Frauen von Troja“und „Les ZérosMorts – Die Schutzlosen“zuvor.
Es wird ein Stück Altenburger Geschichte erzählt – und zwar an Originalschauplätzen. Die jüdischen Familien Cohn, Bucky und Levy, durch mehrere Heiraten letztlich zu einer großen Familie verbunden, haben von 1890 bis in die 1930er-Jahre in Altenburg gelebt und gewirkt. Ja mehr noch, sie waren zu ihrer Zeit hoch angesehen, mit ihrem jüdischen Kaufhaus M.&S. Cohn in der Sporenstraße und den darin beschäftigten 180 Mitarbeitern sogar größter Arbeitgeber der Stadt. Sie waren sozial überaus engagiert, boten kostenlose Schülerspeisung an, unterstützten das Theater, räumten Künstlern großzügigen Rabatte ein, richteten Kindern bedürftiger Familien Weihnachtsfeiern aus, waren umtriebig und eine große kreative Kraft in der Stadt. Bis die Nazis die jüdische Familie enteigneten und viele ihre Mitglieder teilweise deportierten und ermordeten. Einige konnten rechtzeitig fliehen.
Der Heimatforscher Christian Repkewitz aus Altenburg hat die Familiengeschichte recherchiert und vor dem Vergessen bewahrt. Das gleichnamige Buch gibt es seit März zu kaufen. Seinem Kontakt zu den Familien ist es zu verdanken, dass zur heutigen Premiere 21 Nachfahren der Cohns, Buckys und Levys nach Altenburg kommen werden – aus England, Kanada, Südafrika und den USA. Viele sind das erste Mal in Deutschland. „Es wird sicher ein bewegender Abend. Aber unsere Gäste erleben ihre Vorfahren als sehr vitale Menschen mit viel Lebensfreude und großem Renommee in der Stadt“, erzählt Bernhard Stengele.
Angelegt ist das Theaterstück als Stadtspaziergang, beginnend am Markt 23 in Altenburg, wo die Zuschauer eine hebräische Hochzeit erwartet. „Mit originalen hebräischen Texten“, verrät der Regisseur. Und wahrscheinlich die bislang erste hebräische in der Stadt.
Als internationale Kooperationspartner konnten das Jaffa Theater und Qarar House for Music, Theatre and Art in Tel Aviv gewonnen werden, die Theaterstücke sowohl in arabischer als auch hebräischer Sprache entwickeln. Folglich werden Künstler aus Israel, Palästina, Rumänien, Deutschland und der Türkei die Altenburger Familiengeschichte zum Ausgangspunkt nehmen, um sich auch mit Vertreibung, Ausgrenzung und Rassismus in der ganzen Welt auseinanderzusetzen.