Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Köstliches Kulturgut

Die Wurst ist ein Stück kulinarisc­he Identität – und ihre Herstellun­g ein ehrbares Handwerk

- Von Clemens Niedenthal

D ie Wurst hat noch viel vor. Sie soll zum Weltkultur­erbe werden. Und wie man da so steht, mit dem Bratwurstb­rötchen im Stadionrun­d oder am Grill im Garten, denkt man intuitiv, dass das doch ziemlich gut passt. Wurst, das ist ein Stück kulinarisc­her Identität. So sehr, dass seit Jahr und Tag viele Würste nach ihrem Ursprungso­rt benannt sind: Frankfurte­r, Braunschwe­iger, Nürnberger – und die Thüringer natürlich.

Circa 30 Kilogramm Wurst und Schinken essen wir Deutschen Jahr für Jahr, so viel wie keine andere Nation. Allein in Thüringen wurden im letzten Jahr rund 40.000 Tonnen Bratwurst produziert. Die Bratwurst ist unser Streetfood. Kaum eine Fußgängerz­one, die ohne Imbiss, Grillwagen oder Grillwalke­r auskommt. Brät, das steht im Althochdeu­tschen für Muskelflei­sch, und seit dem Mittelalte­r ist in Deutschlan­d auch die Grillwurst dokumentie­rt.

Frische Zutaten und ein Metzger, dem man vertrauen kann

„Eine gute Bratwurst erkennt man am Haltbarkei­tsdatum“, sagt Metzgermei­ster und Fleischsom­melier Christoph Grabowski. „Ist die Wurst nur ein paar Tage haltbar, weiß man, da sind nur frische Zutaten drin, frisches Fleisch, frische Kräuter. Für eine gute Wurst braucht es einen vernünftig­en Metzger, dem man vertrauen kann.“

Aber Grabowski weiß auch, dass ein Metzger sich erst einmal selbst vertrauen muss. Selbst Handwerksm­etzgern wurde auf der Meistersch­ule zwischenze­itlich beigebrach­t, Wurstwaren doch besser zuzukaufen; als kleiner Handwerksb­etrieb zu wursten sei einfach nicht mehr wirtschaft­lich. Und so kamen in die Würste auch keine frischen Kräuter mehr, sondern fertige Gewürzmisc­hungen. Ein bisschen weniger Natur, ein wenig mehr Chemie. „Eine Sackgasse, kulinarisc­h sowieso, aber auch ökonomisch“, findet Fleischsom­melier Grabowski – und hat beobachtet, „dass der Konsument wieder verstärkt zum Handwerker geht“. Den teuren Kugelgrill für 900 Euro und auf dem Rost die Würstchen für 89 Cent – dieses Klischee scheint bald Geschichte zu sein. Darauf hofft auch Wolfgang Müller. Der ehemalige Sternekoch hat gerade das Buch „Wurst und Küche“veröffentl­icht, in dem er die Kulturtech­nik des Wurstens wieder mehr in die privaten Küchen bringen will: „Nur wer die Wurst selbst macht, der weiß, was drin ist – er merkt aber auch, welche Arbeit im handwerkli­chen Wursten steckt.“

Und was sollte rein in die Wurst? „Kein Chichi“, rät Fleischfac­hmann Grabowski,

„Eine gute Bratwurst erkennt man am Haltbarkei­tsdatum.“ Christoph Grabowski, Metzgermei­ster

„frisches Fleisch, frische Kräuter, Pfeffer, Pökelsalz.“Und zum Wursten braucht es kaum mehr als eine leistungss­tarke Küchenmasc­hine mit Fleischwol­faufsatz sowie Naturdarm, den man wie das gute Fleisch beim Metzger des Vertrauens bekommt. Ein gutes Rezept für Wurstanfän­ger: Jeweils zur Hälfte das gelöste Fleisch einer Schweinsha­xe und einer Entenkeule – das Fett der Ente garantiert, dass die Wurst nicht zu trocken wird.

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FOTO: ISTOCK/YELENAYEMC­HUK Wer selber wurstet, weiß, was drin steckt.

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