Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Muss ich eigentlich, soll ich oder will ich?
Ich sitze im Restaurant, das Essen hat nicht geschmeckt, der Kellner ist uninteressiert. Muss ich? Nein! – Oder so: Das Essen hat geschmeckt, der Ober ist witzig. Was dann? Soll ich? Ja! Aber wie viel?
Der Küche und dem Service das schmale Salär mit einem Trinkgeld aufzustocken und überhaupt die Leistung des Dienstes zu würdigen ist eine wunderbare Geste, die noch dazu dem Restaurantinhaber die Möglichkeit gibt, die Preise fürs Lukullische nach unten zu subventionieren, aber das Personal trotzdem am Leben zu halten.
International gibt es unzählige Befindlichkeiten, und der Kellner weiß häufig schon lange, bevor er die Rechnung serviert, wie viele Brötchen er sich anderentags kaufen kann. Doch nicht nur er, sondern auch die Köche und die lieben Jungs, die die Teller waschen, denn der ganze Topf wird geteilt.
Wenn es einem im Restaurant geschmeckt und gefallen hat, dann sollte man das als Gast honorieren ... wollen! Nicht mit einem festen Prozentsatz, sondern spontan, nach Gusto. Vielleicht bekommen Sie ja zusätzlich vom Küchenchef ein tolles Rezept zum Nachkochen oder vom Sommelier einen Weintipp, um kostengünstig und schmackhaft den eigenen Keller zu füllen? Rechnen Sie das einfach mal hoch! Und was ist Ihnen das nette Blitzen im Auge der italienischen Kellnerin wert, wenn sie abends einen Cappuccino serviert, obwohl sie das in der Heimat nach elf Uhr vormittags nie täte? Wie ist es mit dem Erkennen von Vorlieben, dem Leiten durch den Abend, das einen später so zufrieden ins Bett sinken lässt? Es geht oft nicht ums Wieviel, sondern auch um Sympathie. Ein echtes Lächeln ist manchmal mehr wert als das gezwungen gegebene Was-auch-immer. Ich erinnere mich gern an einen wunderschönen Abend mit Gästen. Bis zum nächsten Mal!