Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Sorgen ums „Grüne Herz“
Eine Pensionswirtin im Thüringer Wald würde den Sanierungsstau in ihrer Herberge gerne beheben – aber die Fördermittelregelungen gehen am Bedarf vorbei
UNTERSCHÖNAU. In vielen Gaststätten, Restaurants, Hotels und Pensionen Thüringens gibt es einen enormen Sanierungsstau. Gerade im Thüringer Wald. Viele der Betreiber leben und arbeiten in einem Teufelskreis. Es gibt zwar Fördermittel, aber die sind nicht auf ihre Belange zugeschnitten.
Heike Ehrle zum Beispiel hat einen Kostenvorschlag zum Austausch eines Fensters vor sich liegen; es gibt das Angebot eines Kunstmalers zur Gestaltung der Gästezimmer; sie hat eine grobe Übersicht über die zu erwartenden Ausgaben, wenn sie die Toiletten ihres Gasthauses sanieren würde. „Eine Wärmedämmung bräuchte ich ganz dringend“, sagt sie. Eines ihrer Gebäude sei in den 1970er-Jahren vor allem aus Stahl und Glas errichtet worden. „Über Wärme haben die sich damals überhaupt keine Platte gemacht.“Doch davon, diese Wärmedämmung anbringen lassen zu können, ist Ehrle ebenso weit entfernt wie davon, die meisten anderen Arbeiten beauftragen zu können, zu denen sie sich Kostenvoranschläge hat geben lassen. Es hängt am Geld.
Ehrle und ihr Haus „Grünes Herz“in Unterschönau – zwischen Oberhof und SteinbachHallenberg in Südthüringen gelegen – ist ein Beispiel für viele kleine Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. Allerdings hebt sich Ehrle doch ein bisschen von vielen anderen gastronomischen Einrichtungen im Thüringer Wald ab. Vor allem, weil ihre Preise – jedenfalls für Essen und Getränke – über dem liegen, was in vielen anderen Restaurants und Kneipen im ländlichen Thüringen zu zahlen ist. „Wir sind nicht auf den Zug ‚Geiz ist geil’ aufgesprungen.“Statt Dutzende und Aberdutzende Speisen anzubieten, stehen auf Ehrles Speisekarte nur etwa zehn Hauptgerichte. „Dafür kochen wir frisch und mit Zutaten aus der Region“, sagt sie. Eine Portion Hirschkalbsbraten mit Rotkohl, Preiselbeerbirne und Thüringer Klößen kostet 14,90 Euro. Für einen Bratenteller vom Thüringer Milchzicklein mit Thüringer Klößen und Salatteller werden 16,40 Euro verlangt.
Damit tut Ehrle etwas, was seit Monaten allen voran Thüringens Wirtschaftsstaatssekretär Georg Maier (SPD) von jenen fordert, die im Tourismusgewerbe des Landes tätig sind: Maier sagt, die Betriebe sollen auf Qualität statt Quantität setzen. Und dafür ordentliche Preise verlangen. Nur so, argumentiert Maier, bleibe bei den Gastronomen und Hoteliers, bei den Pensionsbetreibern und allen anderen, die welche Angebote auch immer für Touristen machten, am Ende des Abrechnungsmonats genügend Geld übrig. Geld, das dann wieder investiert werden kann – in neue Fenster, in Wärmedämmung, in schöne Schränke, moderne Fernsehgeräte und bequeme Betten für ihre Gästezimmer, in tolle Mountainbikes zum Verleihen... Denn nur so könne der Tourismus in Thüringen – und ganz besonders im Thüringer Wald – mittel- und langfristig besser werden und im Wettbewerb mit anderen Mittelgebirgsregionen überleben. Maier hat gute Gründe, zu warnen und zu motivieren: Im Moment – das ist unstrittig – droht dieser gerade für Südthüringen so wichtige Wirtschaftszweig langsam, aber sicher zu sterben. Die Übernachtungszahlen in der Region sind seit Längerem rückläufig.
Bloß, erklärt Wirtin Ehrle, während sie den Aktenordner mit den Kostenvoranschlägen zeigt und auch beim späteren Rundgang durch das Haus: Es reicht bei ihr dennoch nicht – trotz der kalkulierten Essensund Getränkepreise. Zwar steige ihr Umsatz seit einigen Jahren. 2010 beispielsweise habe sie etwa 80 000 Euro umgesetzt, im vergangenen Jahr seien es schon etwa 135 000 Euro gewesen. Aber mehr Gewinn bleibe wegen der steigenden allgemeinen Kosten trotzdem nicht übrig – und somit fehle das Geld für Investitionen.
Maier würde an dieser Stelle sicher einwenden, dass Ehrle nicht nur beim Essen auf mehr Qualität und höhere Preise setzen müsse. Sondern auch bei ihren Gästezimmern. Zehn davon hat das „Grüne Herz“. Die Übernachtungspreise starten bei etwa 40 Euro pro Person für ein Einzelzimmer, was ziemlich exakt der Preis ist, den Maier nach eigenen Angaben in verschiedenen Hotels und Pensionen gezahlt hat, als er im Sommer 2016 den Rennsteig entlang wanderte, um ganz unmittelbar zu erleben, wie es um den Tourismus im Thüringer Wald steht. Maier hält das für deutlich zu niedrig. Bei diesem Zimmerpreis könne kaum etwas für Investitionen übrig bleiben.
Das sieht auch Wirtin Ehrle so. Höhere Preise für ihre Zimmer durchsetzen zu können, hält sie aber für unrealistisch, weil sie zwar in einem ordentlichen Zustand sind, aber nicht gehobene Ansprüche erfüllen: Im Bad eines Zimmers hängt ein beigefarbener Spiegelschrank aus Plastik auf den weißen Fliesen. Statt Ein-Hebel-Armaturen sind noch Drehknöpfe für „kalt“und „heiß“am Wasserhahn zu finden. In der Dusche müssen selbst schlanke Menschen vorsichtig sein, um nicht mit den Ellenbogen an die Seitenwände zu stoßen, wenn sie sich waschen. Die Zeiten, als das den meisten Urlaubern reichte, sind vorbei. Ehrle sagt, sie habe schon überlegt, die Zimmer zu vergrößern, dafür müssten Wände durchbrochen werden. Aber auch das hängt am Geld. Und wer mehr Komfort schafft, aber die Zahl der Zimmer verringert, der ist bei der Förderung außen vor...
Was Ehrle zu der Einschätzung treibt, höhere Übernachtungspreise seien unrealistisch, ist vor allem ihre Erfahrung mit ihren Gästen. Denn auch, wenn von denen für die Statistik viele als Touristen durchgingen – weil sie von weit her kommen und dann in Unterschönau übernachten – tatsächlich, sagt Ehrle, seien nur etwa ein Drittel der bei ihr übernachtenden Personen Touristen im eigentlichen Sinn. Die meisten Gäste seien Geschäftsreisende, Handwerker und Bauarbeiter, aber auch Sportler oder Familienangehörige bei Feiern in ihrem Saal, der mehr als 100 Menschen Platz bietet. Dieses Gästeklientel sei an besonders günstigen Übernachtungsmöglichkeiten interessiert. Nicht wenige Geschäftsleute etwa, sagt sie, würden zwar im Anzug und in teuren Autos vorfahren, motzten aber bereits über die etwa 40 Euro pro Übernachtung.
Bleibt also die Frage, ob staatliche Fördermittel ein Ausweg aus diesem Teufelskreis aus Investitionsstau und zu geringen Investitionsmitteln sind, den Ehrle beschreibt und in dem sie seit vielen Jahren lebt. Übernommen hat die gelernte Köchin das „Grüne Herz“2001 – mit ihrem damaligen Ehemann. Seit 2010 führt sie das Haus alleine als Inhaberin, beutet sich de facto selbst und ständig aus, beschäftigt neben einer Fast-Vollzeitkraft regelmäßig noch mehrere 450-Euro-Jobber.
So richtig in Rage redet sich Ehrle, wenn es darum geht, dass es aus dem Thüringer Wirtschaftsministerium jüngst mit einem Ausdruck des Bedauerns hieß, gerade kleinere Hotels, Pensionen und Gaststätten würden Fördermittel kaum abrufen. Ehrle ist nicht die Einzige, die diese Aussage aufregt (TLZ berichtete mehrfach).
Dass die Mittel nicht in dem Umfang abgerufen würden, habe doch mit den Bedingungen zu tun, an die die Vergabe vieler Fördermittel geknüpft sei, macht Ehrle deutlich. Für kleine Betriebe wie den ihren seien diese Voraussetzungen häufig überhaupt nicht umzusetzen. Wenn beispielsweise die Vergabe von Geldern daran geknüpft sei, dass im Zusammenhang mit der Förderung zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, sagt Ehrle, seien diese Mittel für sie völlig unerreichbar. „Nur, weil ich meine Zimmer neu mache, stelle ich doch niemand neu ein“, sagt sie.
Förderung heißt auch, dass das Unternehmen einen bestimmten Betrag als Eigenanteil leisten muss. Das seien aber Summen, die sie in der nötigen Höhe für größere, grundlegendere Arbeiten nicht habe. Selbst ein neues Kassensystem für etwa 7000 Euro habe sie über einen Kredit finanzieren müssen.
Einen wirklichen Ausweg aus dem Teufelskreis sieht die Wirtin vom „Grünen Herz“deshalb nicht. Nur schrittweise, Stück für Stück also, kann sie an ihrem Gasthaus, ihrer Pension etwas sanieren lassen. Wie etwa einen Teil des Hofs: Den sie hat neu pflastern lassen, als einige Sportler mal länger bei ihr wohnten und sie damit auf einmal ein paar Euro mehr Gewinn hatte, als geplant. Nur retten diese Pflastersteine weder sie und das „Grüne Herz“, noch den Tourismus im Thüringer Wald...
Ihren Kindern wünscht Ehrle, dass sie es einmal besser haben werden als sie. Was das heißt? Dass sie also außerhalb des Tourismus im Freistaat arbeiten.
„Nur, weil ich meine Zimmer neu mache, stelle ich doch keine neuen Arbeitskräfte ein.“Heike Ehrle, „Grünes Herz“, Unterschönau, findet, dass die Förderbedingungen an der Realität kleiner Betriebe vorbeigehen.