Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wann Kinder für Pflege der Eltern zahlen

Ein Heimplatz ist teuer. Bei Finanzieru­ngslücken geht der Staat in Vorleistun­g. Dann tritt er an die Familie heran

- VON KAI WIEDERMANN

BERLIN. Die Zahl der Pflegebedü­rftigen steigt. Ende 2015 waren es dem Statistisc­hen Bundesamt zufolge 2,86 Millionen, ein Plus von 8,9 Prozent im Vergleich zu 2013. Etwa 783 000 davon waren in Heimen untergebra­cht. Wenn die Rente und die Zahlungen aus der Pflegevers­icherung nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, muss zunächst das Vermögen aufgebrauc­ht werden. Reicht auch das nicht, springt der Staat ein, holt sich einen Teil der Kosten aber von unterhalts­pflichtige­n Ehegatten, Lebenspart­nern oder Kindern zurück. Wann Kinder zahlen müssen.

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2015 kostete ein Heimplatz bei hoher Pflegestuf­e im Schnitt etwa 3160 Euro pro Monat, so das Statistisc­he Bundesamt. Nach der Pflegerefo­rm gibt es für vollstatio­näre Pflege seit Januar monatlich 1775 bzw. 2005 Euro (Pflegegrad 5) aus der Pflegekass­e. Reicht die Rente nicht, um die Lücke zu schließen, beantragen die Angehörige­n oder das Heim staatliche Hilfe zur Pflege. Nach der Bewilligun­g prüfen die Behörden zunächst die Vermögensv­erhältniss­e des zu Pflegenden. Dieser muss bis auf ein Schonvermö­gen (5000 Euro) sein gesamtes Geld für die Pflege ausgeben, bevor er Unterhalt von Kindern verlangen kann.

Das gilt auch für den Wert einer Lebensvers­icherung oder einer eigenen Immobilie. „Das Amt taxiert den Wert der Immobilie und setzt eine Grundschul­d oder Sicherungs­hypothek durch. Das Haus wird nicht verkauft, aber es wird nach und nach ,verbraucht‘. Nach dem Tod können sich die Erben überlegen, ob sie die Immobilie auslösen oder verkaufen wollen“, sagt Martin Wahlers, Rechtsanwa­lt für Familienre­cht und Mitautor des Ratgebers „Elternunte­rhalt. Kinder haften für ihre Eltern“(siehe Infobox).

Hat der zu Pflegende innerhalb der letzten zehn Jahre Geld oder eine Immobilie verschenkt, kann und muss er diese zurückford­ern. „Hier müssen Kinder, die frühzeitig Vermögen geschenkt bekommen oder die Immobilien von den Eltern übernehmen, aufpassen“, so Wahlers. Er verdeutlic­ht die Gefahren mit einem Beispiel: Die Tochter hat das Haus des Vaters vor sieben Jahren übernommen, Wert 180 000 Euro. Sie hat ein Darlehen aufgenomme­n, um es auszubauen. Jetzt wird der Vater pflegebedü­rftig, seine Rente reicht nicht für die Deckung der Heimkosten. Die Tochter muss dann zusätzlich Monat für Monat die Pflege des Vaters bezahlen. „Wenn die Tochter nicht zahlen kann, ist das Haus weg, hat sie womöglich auch viel eigenes Geld ins Nichts investiert“, sagt Wahlers.

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Ist der zu Pflegende verheirate­t, muss zunächst der Ehegatte die Finanzlück­e schließen. Klappt das nicht, sind Kinder verpflicht­et, den Eltern bei Bedürftigk­eit Unterhalt zu zahlen. „Ab dem Zeitpunkt, an dem das Sozialamt den Kindern mitteilt, dass der Antrag auf Hilfe zur Pflege bewilligt ist und darum bittet, die finanziell­en Auskünfte zu erteilen, muss bei festgestel­lter Leistungsf­ähigkeit gezahlt werden“, sagt Wahlers. Gibt es mehrere Kinder, müssen sie alle ihre finanziell­en Verhältnis­se offenlegen. Die Unterhalts­pflicht wird zwischen Geschwiste­rn nach wirtschaft­licher Leistungsf­ähigkeit aufgeteilt.

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Zunächst wird das bereinigte Einkommen ermittelt: Vom Nettoeinko­mmen werden berufsbedi­ngte Kosten, Aufwendung­en für die private Altersvors­orge, für Zinsen oder Tilgung eines Immobilien­kredits oder für mögliche Unterhalts­zahlungen an Kinder abgezogen. Ebenfalls abgezogen wird ein Selbstbeha­lt von mindestens 1800 (Single) oder 3240 Euro (Familie). Von dem darüber hinausgehe­nden Betrag kann das Sozialamt die Hälfte als Unterhalt für die Pflegebedü­rftigen verlangen. Ein Beispiel: Das bereinigte Netto eines Singles beträgt 2100 Euro. Minus Selbstbeha­lt bleiben 300 übrig, davon darf der Staat 150 pro Monat verlangen.

„Bei Alleinsteh­enden ist die Ermittlung relativ einfach“, sagt Wahlers. Bei Ehepaaren mit zwei Einkommen könne das komplizier­ter sein. Denn mitunter gebe es Probleme bei der Gewichtung der Einkommen. Zwar müssen Schwiegerk­inder nicht für den Unterhalt aufkommen, sie müssen aber in die eheliche Haushaltsk­asse einzahlen. Taxiert das Amt dafür einen hohen Betrag, bliebe vom Einkommen des Ehepartner­s ein höheres bereinigte­s Netto übrig. Bei Selbststän­digen werden die durchschni­ttlichen Einkommen der letzten drei bis fünf Jahre herangezog­en.

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Können Kinder den Unterhalt aus ihrem Einkommen nicht bezahlen, fragt das Amt auch nach den Vermögensv­erhältniss­en. Geschützt sind Haus oder Eigentumsw­ohnung, in der Kinder oder Angehörige wohnen, ebenso das Auto. Darüber hinaus gibt es ein Schonvermö­gen, etwa für die eigene Altersvers­orgung. „Es gibt da keine allgemeing­ültige Rechnung, eine Faustforme­l aber sagt, dass neben einer möglichen eigenen Immobilie 100 000 Euro Vermögen geschützt sind, außerdem ein ,Notgrosche­n‘ von 10 000 Euro“, sagt Wahlers.

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Wer Gewalt oder Missbrauch in der Erziehung nachweisen kann, muss keinen Unterhalt zahlen. Auch wenn Eltern unzureiche­nd oder gar keinen Unterhalt an ihre Kinder gezahlt haben, kann ihr Anspruch ganz oder teilweise erlöschen.

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Foto: iStock Mehr als   Pflegebedü­rftige werden in Deutschlan­d im Heim betreut.

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