Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Das Programm-Puzzle der SPD

Genossen wollen einen Kontrast zur Union schaffen. Doch die Finanzieru­ng bleibt unklar

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND CHRISTIAN KERL

BERLIN. Katarina Barley versagt am Montag kurz die Stimme, sie ist heiser. Doch es ist auch wahrlich ein harter Tag für die SPDGeneral­sekretärin: Der Parteivors­tand muss am Morgen die SPD-Parteizent­rale kurzzeitig räumen, mitten in den Beratungen über das Wahlprogra­mm. Ein Paket in der Poststelle ist verdächtig, es entpuppt sich als Holzkasten.

Verwirrung gibt es auch um die Vorstellun­g des Wahlprogra­mms. Ein ursprüngli­ch für den Montag vorgesehen­es Pressegesp­räch wurde am späten Sonntagabe­nd seitens der SPD abgesagt, am Montagmorg­en wieder ins Programm genommen. Barley nennt kritische Berichte über die Terminabsa­ge einen „medialen Spin“. Intern hört man durchaus das Wort „eigener Kommunikat­ionsfehler“. Doch am Nachmittag kann Barley dann immerhin verkünden, dass der Parteivors­tand das Wahlprogra­mm einstimmig beschlosse­n hat. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann nennt es „vielleicht das Beste seit Willy Brandt“, ein „klares Kontrastpr­ogramm“zur CDU.

Steuern

Die SPD will untere und mittlere Einkommen entlasten: „Die Mehrheit der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er soll mehr Netto vom Brutto haben. Das ist unser Ziel.“Auch soll das Ehegattens­plitting zu einem „Familienta­rif mit Kinderbonu­s“umgebaut werden, damit Eltern ohne Trauschein auch davon profitiere­n. Das Kindergeld soll künftig nach Einkommen gestaffelt ausgezahlt werden. Familienmi­nisterin Manuela Schwesig führt aus, dass der Spitzensat­z von 42 Prozent erst später greifen soll. Das steht allerdings so nicht konkret im Programm, auch Details zur Finanzieru­ng fehlen noch gänzlich. Ob diese bis zum Parteitag in einem Monat drinstehen, ist fraglich. „Die vier Monate bis zur Wahl können lang werden“, heißt es auch in der SPD-Zentrale, „Schulz muss auch noch Pulver trocken halten.“Die Parteilink­e hat bereits angekündig­t, sich „intensiv in den Diskussion­sprozess einzumisch­en“– mit Vorschläge­n, die weit über den Vorstandse­ntwurf hinausgehe­n. So will die Linke etwa den Spitzenste­uersatz anheben oder die Vermögenst­euer wieder einführen.

Rente

Bei der Rente will die SPD das Modell von Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles umsetzen. Es sieht eine sogenannte doppelte Haltelinie vor – ein Absinken des Rentennive­aus soll verhindert, gleichzeit­ig eine Explosion der Beiträge vermieden werden. Diskutiert wird ein Rentennive­au von um die 48 Prozent, bei den Beiträgen ein Zielbereic­h von 22 bis 23 Prozent. Zu den Kosten sagt die SPD ebenfalls noch nichts.

Migration

In der Flüchtling­spolitik bekennen sich die Sozialdemo­kraten klar zum Asylrecht. „Das bleibt unangetast­et“, sagt Oppermann. Doch man wolle schnellere Asylverfah­ren und eine deutlich konsequent­ere Rückführun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er. Für freiwillig­e Rückkehrer soll es ein Förderprog­ramm geben. Beim Thema Familienna­chzug bleibt es ziemlich vage: „Familienna­chzug und das Zusammenle­ben in der Familie tragen zu einer guten Integratio­n bei“, heißt es lediglich.

Innere Sicherheit

Zum Schutz vor Alltagskri­minalität müsse der Staat im Alltag präsenter sein, betont Oppermann. So fordert die SPD 15.000 neue Polizisten in Bund und Ländern, das Bundeskrim­inalamt soll als Koordinier­ungsstelle gestärkt werden. Der Staat müsse wehrhaft gegen Terroriste­n, Rechtsextr­eme und Kriminelle vorgehen. Was die militärisc­he Sicherheit angeht, so wenden sich die Sozialdemo­kraten gegen eine Erhöhung der Militäraus­gaben, die die Nato fordert. Auf dem Parteitag am 25. Juni ist keine längere Programmde­batte eingeplant – nur gut fünf Stunden sind für den gesamten Wahlkampf-Konvent vorgesehen. Vielleicht hat sich Schulz darüber am Montag bereits Gedanken gemacht. Der Präsentati­on des Papiers bleibt er fern.

An diesem turbulente­n SPDTag äußert sich der Parteichef erst am späten Abend zum Programm: „Ich glaube, dass es darum geht, dass wir nachweisen, dass wir dieses Land regieren können und dass wir seriös sind.“Zuvor war er bei der Verleihung des Gustav-HeinemannP­reises an den türkischen Journalist­en Can Dündar.

 ??  ?? Schwierige Präsentati­on: Familienmi­nisterin Manuela Schwesig, Fraktionsc­hef Thomas Oppermann und Generalsek­retärin Katarina Barley stellen das SPD-Wahlprogra­mm vor. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Schwierige Präsentati­on: Familienmi­nisterin Manuela Schwesig, Fraktionsc­hef Thomas Oppermann und Generalsek­retärin Katarina Barley stellen das SPD-Wahlprogra­mm vor. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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