Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Zahl von Asylklagen nimmt sprunghaft zu
Flüchtlinge wehren sich vor allem gegen ihren Aufenthaltsstatus. Juristen fürchten eine Blockade der Verwaltungsgerichte
BERLIN. Weil sie der Abschiebung entgehen wollen oder den vollen Flüchtlingsstatus fordern, klagen bundesweit immer mehr Flüchtlinge vor Verwaltungsgerichten – und treiben die Verfahrenszahl in die Höhe. Eine Klageflut droht die Verwaltungsgerichte zu lähmen.
Verdoppelte sich die Zahl der eingegangenen Verfahren schon 2016 auf bundesweit gut 181 000 Haupt- und Eilverfahren, gingen alleine im ersten Quartal 2017 rund 97 000 Asylklagen bei den Gerichten ein. Schon Ende März wurde damit die Hälfte der Verfahrenszahl des Vorjahres überschritten. Dies zeigen Zahlen der Landesjustizministerien, die dieser Zeitung vorliegen.
Verwaltungsrichter schlagen Alarm: „Die Belastung für die Gerichte ist dramatisch. Der Zustand ist an vielen Verwaltungsgerichten kaum noch auszuhalten“, sagt Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bunds deutscher Verwaltungsrichter (BDVR). Besonders stark ist der Anstieg in Bayern und Hessen. Dort erreichte die Zahl der eingegangenen Asylverfahren schon in den ersten drei Monaten 2017 drei Viertel beziehungsweise 85 Prozent der Vorjahreszahl. In Thüringen erreichten die Verfahrenseingänge in dieser Zeit 53 Prozent der Eingänge von 2016.
Um etliche Monate verzögern sich dadurch Prozesse. Die Situation trifft jeden, der gegen einen amtlichen Bescheid vor Gericht zieht. „Die Verfahren blockieren die Verwaltungsgerichtsbarkeit“, sagt BDVR-Vorsitzender Seegmüller. „Das können wir als Gesellschaft nicht wollen.“Die Justizminister der Länder haben bereits 2016 auf die gestiegene Verfahrenszahl reagiert und zusätzliche Richterstellen geschaffen. Das reiche jedoch nicht aus, sagt Seegmüller. Er fordert weitere Stellen. Hingegen sieht der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Rheinland-Pfalz’ Justizminister Herbert Mertin (FDP), nur „ein temporäres Phänomen“. Er erwartet eine Normalisierung.