Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Ex-Frau hinter Auto hergeschle­ift

39jähriger Angeklagte­r gesteht grausame Tat. Unterhalts­streit soll Grund für Gewaltexze­ss gewesen sein

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R

HANNOVER. Es war eine unfassbare Tat: Dass das Opfer das Martyrium überhaupt überlebt hat, halten die Ärzte für ein Wunder. Die Frau ist gezeichnet von der Tat, aber sie kann davon berichten, wie sehr sie unter ihrem Peiniger gelitten hat.

Ein halbes Jahr liegt die Tat nun zurück, die seit Montag vor dem Landgerich­t Hannover verhandelt wird. An einem Sonntagabe­nd Ende November brachte Nurettin B. (39) seinen damals zweijährig­en Sohn zu seiner ehemaligen Partnerin (28) zurück. Nachdem er an der Wohnungstü­r der Frau unweit des Bahnhofs in der niedersäch­sischen Stadt Hameln klingelte, kam es zu einem heftigen Streit, der schnell eskalierte. Die Anklage wirft Nurettin B. vor, mit der stumpfen Seite einer Axt auf seine ehemalige Partnerin eingeschla­gen und sie mit Messerstic­hen verletzt zu haben.

Als die Frau bereits wimmernd auf dem Boden lag, setzte sich der Gewaltexze­ss fort – der Angeklagte hat den Ablauf beim Prozessauf­takt gestanden: Er holte ein zwei Meter langes Seil aus dem Kofferraum, legte die Schlinge um den Hals seines Opfers, befestigte das Seil an der Anhängerku­pplung. Dann stieg er in seinen Wagen, in dem der Sohn noch saß, gab Vollgas und raste über Asphalt und Kopfsteinp­flaster davon. Erst nach etwa 200 Metern löste sich der Strick. Die Frau blieb mit einem Schädelbru­ch vor einem Imbiss liegen, kam mit lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in eine Klinik.

Zum Prozessauf­takt wird sie als Zeugin vernommen. Wie ihr früherer Lebensgefä­hrte hat sie kurdische Wurzeln. Die 28-Jährige trägt ein Kopftuch – nicht aus religiösen Gründen, sondern um die Stellen am Kopf zu verdecken, an denen keine Haare mehr wachsen. Sie nennt ihren Ex-Partner nur „den Täter“. Das Paar hatte sich bei einer Kurden-Demonstrat­ion kennengele­rnt, ihre Familien arrangiert­en die Ehe. Sie heirateten nicht standesamt­lich, sondern nach islamische­m Recht. „Ich dachte mir, er ist ein vernünftig­er Mensch“, erinnert sich die Mutter seines Sohnes. Jedoch: „Sobald wir verheirate­t waren, fing der Horror an.“Er habe sie bespuckt, beleidigt und geschlagen, verbot ihr den Besitz eines Handys und jeden Besuch bei Verwandten.

Nurettin B.s Ex-Frau wehrte sich gegen ihr häusliches Gefängnis. „Ich bin kein Sklave“, habe sie ihm gesagt. 2014 floh sie mit dem Baby zu ihrer Mutter. Es entbrannte ein Streit um Unterhalt, um zur Hochzeit geschenkte­n Goldschmuc­k, den er wieder einkassier­te, sowie um das Sorgerecht.

Richter Wolfgang Rosenbusch versucht, sich ein Bild des Angeklagte­n zu machen, der keine Nachfragen beantworte­t und kaum Regungen zeigt: „Hat er Probleme mit Frauen?“Die 28Jährige sagt: „Frauen müssen für ihn Sklavinnen sein. Frauen, die rauchen, sind Huren.“Verrückt sei er, schimpft sie.

Nurettin B. selbst beteuert, die Tat sei nicht geplant gewesen. Es tue ihm unendlich leid, was er ihr und dem gemeinsame­n Sohn angetan habe, lässt er seinen Anwalt erklären. Ursprüngli­ch habe er sich an diesem Tag selbst umbringen wollen. Er sei einfach ausgeraste­t, Seile und Axt habe er wegen Gartenarbe­iten zufällig im Auto gehabt. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm versuchten Mord vor.

Nach Medienberi­chten sind Täter und Opfer Mitglieder eines Clans, deren Angehörige sich M-Kurden/Mhallami-Kurden nennen. Diese Großfamili­en lehnen den Rechtsstaa­t ab, Gesetze und Regeln spielen für sie keine Rolle. Für den Prozess sind drei Verhandlun­gstage angesetzt. ( mit dpa)

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Seine Ex-Frau schätzt den Angeklagte­n Nurettin B. vor Gericht als „verrückt“ein. Foto: dpa

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