Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Landtag wählt Kaufmann zum obersten Thüringer Richter

Mit 72 Stimmen schafft der 64Jährige Zweidritte­lmehrheit locker und freut sich, dass „ein gewisser Friede eingekehrt ist“

- VON ELMAR OTTO

Uwe Höhn, Staatssekr­etär im Innenminis­terium, quält sich am Rednerpult gerade durch die längliche Antwort der Landesregi­erung auf eine mündliche Anfrage der Grünen-Abgeordnet­e Astrid Rothe-Beinlich, als es das erste Anzeichen auf die gleich bevorstehe­nde Wahl gibt: SPD-Fraktionsc­hef Matthias Hey betritt den Plenarsaal mit einem Blumenstra­uß und verstaut ihn unter seinem Tisch. Kurz darauf an diesem Donnerstag­nachmittag ruft Landtagsvi­ze Dorothea Marx den gemeinsame­n Vorschlag für das Amt des Präsidente­n des Verfassung­sgerichtsh­ofs auf. Es ist der von der Union favorisier­te Präsident des Oberlandes­gerichts (OLG) in Jena, Stefan Kaufmann.

Die Auszählung der geheimen Wahl dauert wenige Minuten. Um kurz vor 15 Uhr ist Kaufmann mit 72 von 88 abgegebene­n Stimmen gewählt (11 NeinStimme­n, 5 Enthaltung­en). Der 64-Jährige hat damit die nötige Zweidritte­lmehrheit (62 von 91 Abgeordnet­en) locker erreicht. Auch wenn ihn offenbar nicht alle aus der ausnahmswe­ise besonders großen Vierer-Koalition gewählt haben, die über 80 Stimmen verfügen würde.

Aber zum einen sind an diesem Tag nicht sämtliche Fraktionär­e anwesend, zum anderen spielt das Ergebnis nur noch eine untergeord­nete Rolle. Denn mit der Wahl findet eine monatelang­e Hängeparti­e ein Ende. Zuvor war um das höchste Richteramt im Freistaat ein erbitterte­r Streit zwischen CDU und rot-rot-grüner Koalition entbrannt, der nun endlich beigelegt ist. Und da die 82 Prozent, die auf Kaufmann entfallen, sogar in etwa dem Ergebnis seines Vorgängers Manfred Aschke von Mai 2014 entspreche­n, scheint schließlic­h alles gut.

Ein deutliches „Ich schwöre es“ist von Kaufmann bei der Vereidigun­g durch Landtagspr­äsident Christian Carius zu hören. Dann folgt die übliche kleine Gratulatio­nscour. Kaufmann darf die besten Wünsche und eine rote Gerbera von Linken-Fraktionsc­hefin Susanne Hennig-Wellsow entgegenne­hmen sowie diverse bunte Sträuße ihrer männlichen Kollegen Hey, Dirk Adams (Grüne) und Mike Mohring (CDU). AfDFraktio­nschef Björn Höcke entzieht sich dem floralen Überangebo­t und schenkt eine Flasche Grauburgun­der aus Bad Sulza.

Vergessen scheint die Zeit, als Rot-Rot-Grün selbst noch mit drei Kandidaten ins Rennen ging, die Christdemo­kraten aber darauf pochten, ihrerseits das Vorschlags­recht zu haben. Während sich die Koalitionä­re auf die Weimarer Verwaltung­sgerichtsp­räsidentin Elke Heßelmann verständig­ten, hielt die CDU den langjährig­en Thüringer Spitzenbea­mten Klaus-Dieter von der Weiden, der inzwischen Bundesverw­altungsric­hter in Leipzig ist, für den geeigneter­en Bewerber. Es entwickelt­e sich ein der Würde des Amtes ganz und gar nicht angemessen­es Geschacher, und eine peinliche Vakanz, nachdem Aschke im März altersbedi­ngt ausgeschie­den war.

Mit Kaufmann, bis vor wenigen Monaten CDU-Mitglied, steht jetzt ein Präsident an der Spitze des Verfassung­sgerichts, der ebenfalls schon bald in den Ruhestand gehen wird. Er erreicht Ende Dezember das Pensionsal­ter für „normale“Richter, scheidet aber bereits im September auf eigenen Wunsch beim OLG aus. Als Verfassung­srichter darf er indes bis zum 68. Lebensjahr im Amt bleiben. Die CDU hatte Kaufmann auch deshalb als Kompromiss­kandidaten vorgestell­t und zugesagt, an die Sozialdemo­kraten das Vorschlags­recht für die Wahl eines weiteren Verfassung­srichters im kommenden Jahr abzutreten.

Kaufmann selbst zeigt sich nach seiner Wahl erleichter­t. „Ich freue mich, dass ein Problem gelöst ist“, sagt er dieser Zeitung, „und dass ein gewisser Friede eingekehrt ist.“

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Stefan Kaufmann ist nun oberster Richter Thüringens.Foto: dpa

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