Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Energie in Bürgerhand
Genossenschaften sollen dafür sorgen, dass Anwohner von Windparks und Solaranlagen profitieren
Den Verfechtern erneuerbarer Energien hat erst jüngst eine Studie Auftrieb gegeben, nach der die klare Mehrheit der Thüringer mit dem Ausbau von Wind- und Solarkraft kein Problem hat. Doch Professor Reinhard Guthke weiß um den Widerstand, den es trotzdem gibt – vor allem in ländlichen Regionen. Nicht zuletzt deshalb setzt man darauf, die Thüringer stärker an der Erzeugung von Energie zu beteiligen. Das soll nicht nur so passieren, dass plötzlich ein paar große Windräder in Sichtweite des eigenen Wohnzimmerfensters gebaut werden. Anwohner sollen sich an möglichst vielen Projekten direkt beteiligen können, indem sie zum Beispiel Anteile erwerben. „Deshalb bin ich froh, dass in Thüringen die Energieversorgung durch die Kommunalisierung der Teag in kommunaler Hand ist“, sagt der Forscher.
Er ist am Leibnitz-Institut für Naturstoff-Forschung in Jena im Bereich Systembiologie und Bioinformatik tätig, wenn auch nur noch einen Tag pro Woche, denn die Pensionierung rückt näher. Das aber gibt ihm mehr Zeit für sein Anliegen „Energie in Bürgerhand“. Überall in Thüringen haben sich in den vergangenen Jahren Bürgerenergie-Genossenschaften gebildet, die teils mit eigenen Projekten, teils mit gemeinsamer Beteiligung an größeren Projekten den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung voranbringen wollen. Über den Dachverband Bürgerenergie Thüringen sind die vielen Genossenschaften miteinander verbunden. Am morgigen Sonnabend, 23. Juni, trifft sich die Interessengemeinschaft in Gera, um dort über ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz, über Elektromobilität, Energiespeicher und anderes zu sprechen, das die Gemüter derzeit bewegt.
Dass Bürger nicht allerorten Begeisterung zeigen, wenn Pläne zum Bau von Windkraftanlagen bekannt werden, kann Guthke nachvollziehen: „Natürlich ist die Verspargelung des Horizonts nicht schön.“Daher müssten Anwohner so weit wie möglich in Planungen eingebunden werden. „Ganz verhindern können wird man es allerdings nicht“, so Guthke. Das Phänomen, dass im Vorfeld von Windkraft-Projekten die Nester seltener Vögel verschwinden, hält der Professor für kriminell. „Es heizt unnötig die Stimmung an und muss polizeilich aufgearbeitet werden.“
Doch wie sieht das Genossenschaftsmodell konkret aus? In Jena zum Beispiel ist das größte Projekt der etwa 850 Mitglieder die Beteiligung an den Stadtwerken. Zwei Prozent des Unternehmens hat man Anfang 2012 für 8,2 Millionen Euro gekauft, dafür gibt es etwa 4 Prozent Rendite pro Jahr. Das ist etwas mehr als der Schnitt, wie Guthke sagt. „Aber 3 Prozent sind in anderen Genossenschaften durchaus üblich.“Vierteljährlich informiert der Vorstand die Mitglieder über Neuigkeiten.
Beteiligt ist die Jenaer Genossenschaft auch an drei anderen – die erweitern regelmäßig ihr Portfolio. Dazu gehört zum Beispiel die BürgerEnergie SaaleHolzland eG mit Sitz im Rittergut Nickelsdorf in Crossen an der Elster, von wo aus man ins Nachbarland Sachsen-Anhalt blicken kann. Auch dort kann man mit einer Einlage von mindestens 500 Euro Genosse werden und sich so zum Beispiel an einer ganzen Reihe von Solaranlagen beteiligen, die auf Schulen im Landkreis und in Jena installiert sind. Mitunter wäre auf Dächern mehr möglich, findet Guthke. Doch die Regeln machen es schwer: Dass zum Beispiel auf dem Parkhaus des Uniklinikums in Jena keine Fotovoltaik für den Eigenverbrauch des Klinikums installiert werden könne, liege daran, dass die Gebäude unterschiedliche Eigentümer haben. So würde der Erzeuger mal eben als Energieunternehmen gelten, das allerlei Regeln einzuhalten hat – hier müsse der Gesetzgeber ran.
Die Frage der Zukunft sei aber die der Energie-Speicherung: „Dafür müssten wir Pumpspeicher sinnvoll behandeln, damit sie sich rechnen.“Power-to-Gas werde nach seiner Schätzung ab 2030 rentabel. Dabei wird überschüssiger Strom genutzt, um mithilfe von CO2 aus Abgasen und Wasser Methan zu erzeugen, dass sich leicht speichern und für verschiedene Zwecke verbrennen lässt. Damit sei es ähnlich wie mit Solarzellen in den 90er-Jahren. „Damals hat man gesagt: viel zu teuer. Heute ist oft der Einbau teurer als die Anlage selbst.“
Das Erneuerbare-EnergienGesetz, mit dessen Hilfe Fotovoltaik, Wind- und Wasserkraft gefördert werden soll, sei ein Auslaufmodell. „Für die ersten zehn Jahre war es aber eine sehr gute Sache.“Jetzt sind für ihn die Bürger am Zug.
• Energie in Bürgerhände am Samstag, . Juni, ab Uhr auf dem Platz vorm KuK in Gera – bei Regen im Comma.