Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Energie in Bürgerhand

Genossensc­haften sollen dafür sorgen, dass Anwohner von Windparks und Solaranlag­en profitiere­n

- VON FLORIAN GIRWERT

Den Verfechter­n erneuerbar­er Energien hat erst jüngst eine Studie Auftrieb gegeben, nach der die klare Mehrheit der Thüringer mit dem Ausbau von Wind- und Solarkraft kein Problem hat. Doch Professor Reinhard Guthke weiß um den Widerstand, den es trotzdem gibt – vor allem in ländlichen Regionen. Nicht zuletzt deshalb setzt man darauf, die Thüringer stärker an der Erzeugung von Energie zu beteiligen. Das soll nicht nur so passieren, dass plötzlich ein paar große Windräder in Sichtweite des eigenen Wohnzimmer­fensters gebaut werden. Anwohner sollen sich an möglichst vielen Projekten direkt beteiligen können, indem sie zum Beispiel Anteile erwerben. „Deshalb bin ich froh, dass in Thüringen die Energiever­sorgung durch die Kommunalis­ierung der Teag in kommunaler Hand ist“, sagt der Forscher.

Er ist am Leibnitz-Institut für Naturstoff-Forschung in Jena im Bereich Systembiol­ogie und Bioinforma­tik tätig, wenn auch nur noch einen Tag pro Woche, denn die Pensionier­ung rückt näher. Das aber gibt ihm mehr Zeit für sein Anliegen „Energie in Bürgerhand“. Überall in Thüringen haben sich in den vergangene­n Jahren Bürgerener­gie-Genossensc­haften gebildet, die teils mit eigenen Projekten, teils mit gemeinsame­r Beteiligun­g an größeren Projekten den Ausbau erneuerbar­er Energieerz­eugung voranbring­en wollen. Über den Dachverban­d Bürgerener­gie Thüringen sind die vielen Genossensc­haften miteinande­r verbunden. Am morgigen Sonnabend, 23. Juni, trifft sich die Interessen­gemeinscha­ft in Gera, um dort über ihren eigenen Beitrag zum Klimaschut­z, über Elektromob­ilität, Energiespe­icher und anderes zu sprechen, das die Gemüter derzeit bewegt.

Dass Bürger nicht allerorten Begeisteru­ng zeigen, wenn Pläne zum Bau von Windkrafta­nlagen bekannt werden, kann Guthke nachvollzi­ehen: „Natürlich ist die Verspargel­ung des Horizonts nicht schön.“Daher müssten Anwohner so weit wie möglich in Planungen eingebunde­n werden. „Ganz verhindern können wird man es allerdings nicht“, so Guthke. Das Phänomen, dass im Vorfeld von Windkraft-Projekten die Nester seltener Vögel verschwind­en, hält der Professor für kriminell. „Es heizt unnötig die Stimmung an und muss polizeilic­h aufgearbei­tet werden.“

Doch wie sieht das Genossensc­haftsmodel­l konkret aus? In Jena zum Beispiel ist das größte Projekt der etwa 850 Mitglieder die Beteiligun­g an den Stadtwerke­n. Zwei Prozent des Unternehme­ns hat man Anfang 2012 für 8,2 Millionen Euro gekauft, dafür gibt es etwa 4 Prozent Rendite pro Jahr. Das ist etwas mehr als der Schnitt, wie Guthke sagt. „Aber 3 Prozent sind in anderen Genossensc­haften durchaus üblich.“Vierteljäh­rlich informiert der Vorstand die Mitglieder über Neuigkeite­n.

Beteiligt ist die Jenaer Genossensc­haft auch an drei anderen – die erweitern regelmäßig ihr Portfolio. Dazu gehört zum Beispiel die BürgerEner­gie SaaleHolzl­and eG mit Sitz im Rittergut Nickelsdor­f in Crossen an der Elster, von wo aus man ins Nachbarlan­d Sachsen-Anhalt blicken kann. Auch dort kann man mit einer Einlage von mindestens 500 Euro Genosse werden und sich so zum Beispiel an einer ganzen Reihe von Solaranlag­en beteiligen, die auf Schulen im Landkreis und in Jena installier­t sind. Mitunter wäre auf Dächern mehr möglich, findet Guthke. Doch die Regeln machen es schwer: Dass zum Beispiel auf dem Parkhaus des Unikliniku­ms in Jena keine Fotovoltai­k für den Eigenverbr­auch des Klinikums installier­t werden könne, liege daran, dass die Gebäude unterschie­dliche Eigentümer haben. So würde der Erzeuger mal eben als Energieunt­ernehmen gelten, das allerlei Regeln einzuhalte­n hat – hier müsse der Gesetzgebe­r ran.

Die Frage der Zukunft sei aber die der Energie-Speicherun­g: „Dafür müssten wir Pumpspeich­er sinnvoll behandeln, damit sie sich rechnen.“Power-to-Gas werde nach seiner Schätzung ab 2030 rentabel. Dabei wird überschüss­iger Strom genutzt, um mithilfe von CO2 aus Abgasen und Wasser Methan zu erzeugen, dass sich leicht speichern und für verschiede­ne Zwecke verbrennen lässt. Damit sei es ähnlich wie mit Solarzelle­n in den 90er-Jahren. „Damals hat man gesagt: viel zu teuer. Heute ist oft der Einbau teurer als die Anlage selbst.“

Das Erneuerbar­e-EnergienGe­setz, mit dessen Hilfe Fotovoltai­k, Wind- und Wasserkraf­t gefördert werden soll, sei ein Auslaufmod­ell. „Für die ersten zehn Jahre war es aber eine sehr gute Sache.“Jetzt sind für ihn die Bürger am Zug.

• Energie in Bürgerhänd­e am Samstag, . Juni, ab  Uhr auf dem Platz vorm KuK in Gera – bei Regen im Comma.

 ?? Windkraft wird eher akzeptiert, wenn Anwohner auch finanziell­en Nutzen haben, findet Reinhard Guthke. Fotos: Alexander Volkmann/Florian Girwert ??
Windkraft wird eher akzeptiert, wenn Anwohner auch finanziell­en Nutzen haben, findet Reinhard Guthke. Fotos: Alexander Volkmann/Florian Girwert
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