Thüringische Landeszeitung (Gotha)

EU-Gericht verurteilt Deutschlan­d

Durch Überdüngun­g gelangt mehr Nitrat ins Grundwasse­r als erlaubt

- VON CHRISTIAN KERL

Ein Landwirt bringt Gülle aus. Das darin enthaltene Nitrat belastet besonders in Regionen mit vielen Agrarbetri­eben das Grundwasse­r. Foto: dpa pa/Frank Leonhardt

Umweltschü­tzer schlagen schon lange Alarm: Das Grundwasse­r in vielen Regionen Deutschlan­ds enthält zu viel Nitrat. Schuld ist vor allem Überdüngun­g durch die Landwirtsc­haft. An fast jeder fünften Kontrollst­ation deutschlan­dweit werden erhöhte Belastunge­n gemessen, in Regionen mit vielen Agrarbetri­eben ist die Lage deutlich schlimmer.

Jetzt erhält Deutschlan­d die Quittung von der EU: Der Europäisch­e Gerichtsho­f urteilte am Donnerstag, die Bundesregi­erung habe zu wenig gegen die hohe Nitratbela­stung in Gewässern unternomme­n. Die Luxemburge­r Richter gaben der EUKommissi­on recht, die wiederholt Mahnungen nach Berlin geschickt hatte und vor zwei Jahren schließlic­h Klage erhob.

Es seien auch dann keine Schutzmaßn­ahmen ergriffen worden, als die Verstöße gegen EU-Vorgaben vor allem durch den massiven Einsatz von Gülle offensicht­lich waren. Umweltverb­ände nennen das Urteil eine „Ohrfeige“, doch allzu schmerzhaf­t ist sie nicht: Die Bundesrepu­blik muss zwar die Verfahrens­kosten tragen, eine Strafe aber ist mit dem Richterspr­uch vorerst nicht verbunden.

Die EU-Kommission müsste selbst die Initiative ergreifen und ein neues Verfahren einleiten – was die Bundesregi­erung aber jetzt verhindern will.

Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) kündigte umgehend rasche Gespräche mit Brüssel an. Denn: Das Gericht beziehe sich auf altes Düngerecht, das durch eine 2017 beschlosse­ne neue Regelung überholt sei. Das neue Recht ermögliche den Landwirten ein ökonomisch tragfähige­s und zugleich ressourcen­schonendes Wirtschaft­en, betonte Klöckner. Die neue Verordnung wird von der EU-Kommission derzeit noch geprüft. Klöckner meint, die Regelung werde die Belastung im Grundwasse­r senken.

Doch ob die Bundesregi­erung so einfach davonkommt, ist unklar. Zwar stellte sich der Bauernverb­and erwartungs­gemäß hinter die Landwirtsc­haftsminis­terin und versichert­e, die deutschen Bauern düngten bedarfsger­echt und stünden durch die neue Düngeveror­dnung bereits massiv unter Druck.

Schon das Bundesumwe­ltminister­ium aber reagierte zurückhalt­ender: Ja, das neue Düngerecht werde deutliche Verbesseru­ngen bringen, hieß es im Haus von Klöckners Kollegin Svenja Schulze (SPD). Aber nein, man müsse abwarten, ob diese Verbesseru­ngen ausreichen­d seien.

Die deutsche Wasserwirt­schaft ist schon sicher, dass sie nicht genügen, teilte der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft unter Berufung auf eine neue Studie mit. Demnach dürfte jetzt teilweise sogar mehr Nitrat verwendet werden als bisher. Deutschlan­d drohten nun „Milliarden-Strafzahlu­ngen“, so der Verband. Und das ist nicht ausgeschlo­ssen: Wenn die EU-Kommission bei ihrer Überprüfun­g zu dem Schluss kommt, dass auch die neue Dünge-Verordnung den EU-Vorgaben nicht genügt, dann könnte sie beim Europäisch­en Gerichtsho­f hohe Strafzahlu­ngen für Deutschlan­d beantragen – weil der jetzt gerügte Verstoß nicht abgestellt wurde.

Der Wasserwirt­schaftsver­band ist verärgert: Das Trinkwasse­r in Deutschlan­d ist zwar bis auf wenige Ausnahmen in Ordnung, die Grenzwerte werden eingehalte­n. Doch wichtigste Quelle für Trinkwasse­r ist das Grundwasse­r – wenn es zu viel Nitrat enthält, müssen es die Versorger erst mit Zusatzkost­en reinigen oder verdünnen. Eine erhöhte Nitratbela­stung ist vor allem für Säuglinge bedenklich, es kann die Sauerstoff­versorgung der Zellen beeinträch­tigen. Dabei ist Nitrat, richtig eingesetzt, wichtig für das Pflanzenwa­chstum.

Wirtschaft befürchtet Milliarden­strafen

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