Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Die Menschen wollen Karabits!“
Staatssekretärin Babette Winter äußert sich zur Krise am Deutschen Nationaltheater Weimar – Intendant Weber gerät in Misskredit
Die Affäre um die NichtVerlängerung des Weimarer Generalmusikdirektors (GMD) Kirill Karabits hat sich zum Skandalon ausgeweitet. Jetzt gerät DNT-Generalintendant Hasko Weber ins Zwielicht. Offenbar pflegt er im Hause einen autoritär orientierten Führungsstil und schreckt vor Grenzüberschreitungen nicht zurück. Die DNT-Aufsichtsratsvorsitzende, Staatssekretärin Babette Winter (SPD), ließ gestern im Gespräch mit unserer Zeitung einige Distanz zu Weber erkennen.
Für Winter stellt sich die Lage so dar: „Der Intendant hatte seitens des Aufsichtsrats ein klares Signal und die Unterstützung, um eine Verlängerung mit Herrn Karabits zu verhandeln.“Das war die Marschroute bereits im Frühjahr. Und noch ein paar Tage vor der Entscheidung sei alles positiv und hoffnungsvoll gestimmt gewesen. Umso bestürzter war Winter über den Abbruch der Verhandlungen. „Die Menschen wollen Karabits!“, sagte sie gestern. Und zum Ergebnis: „Das ist nicht nur schade. Ich find’ das Mist.“
Denn der Sozialdemokratin ist vollauf bewusst, dass es sich bei der Staatskapelle um „unser A-Orchester“handelt. „Dass es nicht nur um Weimar geht“, sondern um Landesinteressen. Natürlich hat sie die Chance erkannt, den Klangkörper mit einem Chef wie dem Ukrainer als einen international agierenden Kulturbotschafter Thüringens zu etablieren. Nun fürchtet sie eine Phase der Stagnation. Der DNT-Aufsichtsrat kann bei Personalia allerdings nur Empfehlungen abgeben, Wünsche äußern, Hilfe anbieten. Weber trägt allein die Verantwortung. Mindestens eine fragwürdige Rolle hat Hasko Weber bei dem umstrittenen Weimar-Erfurter Opernprojekt gespielt, Paul Dessaus „Lancelot“im Jahr 2020. Seit gestern liegt uns die klare Aussage vor, dass Weber „seinen“GMD Karabits bedrängt hat, nicht nur den Weimarer Zyklus mit der Staatskapelle zu spielen, sondern ebenso die Aufführungsserie in Erfurt – mit dem dortigen Orchester.
Das empfindet man in der sensiblen Branche als schweren Übergriff. Und noch einen Tag zuvor hatte Weber öffentlich behauptet, eine Festlegung, wer wo wann dirigiere, gebe es noch nicht. Karabits steht bei der Londoner Agentur Askonas Holt unter Vertrag, und Terry Shew, Senior Artist Manager, verfügt über viel zu viel britische Distinktion, um die Vorgänge in Weimar weiter zu kommentieren. Shew versteht das Geschäft. Seine Agentur vertritt Dirigenten wie Daniel Barenboim, Bernard Haitink, Zubin Mehta, Simon Rattle und Yannick Nézet-Séguin. Fast scheint es, als müsse man nur in „etablierte Weltklasse“und in „Rising Stars“rubrizieren.
Arbeitsrechtlich wollte Staatssekretärin Winter den Zwist um Dessaus „Lancelot“gestern nicht bewerten. Sie wird jedoch wissen, dass solche Querelen mindestens in Weimar kulturpolitisch Verstörungen auslösen. Daneben steht inzwischen in Frage, ob das Projekt 2020 im alten Offizierscasino, der Redoute, überhaupt stattfinden kann. Denn der angekündigte renommierte Gastregisseur, Peter Konwitschny, hatte sich ausdrücklich eine Zusammenarbeit mit dem Weimarer GMD ausbedungen. Das ist nun Webers Problem.