Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Vorhaben Waldumbau: Die richtige Fichte soll die falsche ersetzen
Halbzeit bei Thüringer Modellprojekt. Fachleute begutachten Bäume in den Forstämtern Frauenwald, Oberhof und Finsterbergen
Eigentlich gehöre in diese Region die Hochlagenfichte, eine Baumart die sich optimal an die Bedingungen der Kammlagen des Thüringer Waldes angepasst habe, sagt Corinna Geißler, Leiterin des Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums Gotha. Besonders die schmale Kronenform und ihre biegsamen Äste lassen sie schneereiche Winter hoch droben schadlos überstehen. Das Problem sei allerdings, die Hochlagenfichte wachse hier nicht, nicht mehr.
Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Raubbau im Thüringer Wald nicht mehr zu übersehen. Den einstmaligen Bergmischwald aus eben diesen Fichten, aus Weißtannen, Ebereschen, Buchen und Bergahorn hatte der Mensch nahezu aufgebraucht.
Eine zweite Zäsur, so Geißler, gab es nach 1945, wo der erhöhte Holzbedarf und eine Borkenkäferplane dafür sorgten, dass großflächige Fichtenbestände angelegt wurden – mit der falschen Fichte, weil Pflanzenmangel keine Alternative erlaubte.
Modellprojekt auf 8000 Hektar
Dass die Fichte in der Region heimisch ist, daran wollen die Förster nichts ändern. Als Brotbaum hat sie in den Höhenlagen ihre Berechtigung. Nur wollen sie nach und nach die richtige gegen die falsche Fichte tauschen und den Wald an sich verändern. Umbauen also mit verschiedenen Baumarten, damit dieser gerüstet ist für die Zukunft. Und die hat mit dem Klimawandel längst begonnen.
Das Forstliche Forschungsund Kompetenzzentrum Gotha hat vor fünf Jahren das Modellprojekt „Waldumbau in den mittleren, Hoch- und Kammlagen des Thüringer Waldes“gestartet. Dieses soll den Thüringer Förstern als Blaupause für den Waldumbau in ihrem Revier dienen. Ausgelegt ist das Projekt auf zehn Jahre. In diesen Tagen Ingolf Profft (links) und Corinna Geißler (Mitte) begutachten mit Förster Martin Gebser das Revier und beraten, was zum Ziel führt. Der Fichtenbestand soll mit Weißtannen für den Klimawandel fit gemacht werden. Foto: Klaus-Dieter Simmen
nahmen die Fachleute aus Gotha die Halbzeit zum Anlass, um zu sehen, wie funktioniert das Konzept.
„Dabei will ich betonten, dass ohne die enge Zusammenarbeit mit den Förstern gar nichts geht“, sagt Corinna Geißler bei
dem Termin. „Natürlich gehört Waldumbau zu ihrem Job, aber was wir hier gemeinsam machen, geht über das übliche hinaus und fordert zusätzlichen Einsatz.“
Der aber, so zeigt die Bestandsaufnahme, hat sich gelohnt.
Über mehrere Tage bereisten Mitarbeiter aus dem Forschungsund Kompetenzzentrum und Förster die Flächen des Modellprojekts. Diese erstrecken sich über 8000 Hektar in den Forstämtern Frauenwald, Oberhof und Finsterbergen.
Ingolf Profft vom Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums zeigte sich am Ende beeindruckt. „Da wo wir aktiv eingreifen wollten, haben wir unser Ziel erreicht.“Das heißt, die Monokultur der Fichte ist aufgebrochen. Die Weißtanne wird wieder in Größenordnung heimisch im Projektgebiet, Eberesche, Buche und Bergahorn wachsen.
Daneben gibt es die passiven Gebiete, wo der Förster nur eingreift, um für die Pflanzen aus Naturverjüngung Licht zu schaffen. „Wenn mehrere Baumarten einen Wald bilden, ist die Chance dem Klimawandel zu widerstehen gegeben. Nach fünf Jahren können wir durchaus konstatieren, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erklärt Profft.
Wobei fünf Jahre im Waldbau eine winzige Zeitspanne sind. Förster denken in ganz anderen Dimensionen. Und den Wald, den sie planen, bekommen sie nie zu Gesicht, wenn er endlich aus stattlichen Bäumen besteht.
Forschungszentrum mit 70 Jahre alten Fichten
Im Revier von Martin Gebser besichtigen die Förster und die Spezialisten vom Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum einen etwa 70 Jahre alten Bestand, reine Fichte. Hier soll die Weißtanne dazukommen. Die Frage wird diskutiert, ob es besser ist, diesen Nadelbaum auszusäen oder Schösslinge zu pflanzen. Säen sei die bessere Variante, weil die Samen in der Erde wurzeln, in der der Baum sein Leben verbringt.
„Pflanzen wir, so kann das zumindest anfangs Probleme mit sich bringen“, so Gebser. Außerdem kann bei Weißtannensamen auf eigene Ernte zurückgegriffen werden, betont Corinna Geißler. Das Saatgut wird beispielsweise in den Beständen im Lauchgrund geerntet und in der eigenen Darre in Fischbach verarbeitet.
Wie schwer es kleine Bäume haben, in neuer Umgebung Fuß zu fassen, zeigt das Beispiel der Hochlagenfichte. Im Tiefland gezogen, druckst sie anfangs ziemlich in der neuen Umgebung herum. „Diese Bäume pflanzen wir punktuell“, erläutert Ingolf Profft. „Sie sollen später mittels Naturverjüngung für die Ausbreitung ihrer Art sorgen.“