Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Drama auf dem Ausflugssee
Nach einem Fährunglück auf Sumatra werden 200 Menschen vermisst. Zugelassen war das Schiff für 43 Passagiere
BANGKOK. Sie beten und sie verzweifeln. Hunderte von Indonesiern haben sich seit Montag am Ufer des Toba-Sees im Norden der Insel Sumatra versammelt. Sie hoffen auf Neuigkeiten. Doch sie werden immer wieder vertröstet. Je länger die Rettungsmannschaften auf dem See in einem Umkreis von fünf Kilometern in Tiefen bis zu 400 Metern suchen, umso mehr dämmert die fürchterliche Gewissheit, dass es für die Vermissten kein Happy End geben wird. „Ich hoffe immer noch, dass mein Bruder lebend gefunden wird“, sagt Yanti Samsudin, „wenn nicht, dann möchten wir wenigstens seine Leiche haben, um ihn beerdigen zu können.“
Am Montag war die „Sinar Bangun V“, ein Holzboot mit der Kapazität von 43 Personen, nachmittags um 17.30 Uhr eine halbe Stunde nach Verlassen des kleinen Hafens Simanindo gekentert – in stürmischem Wetter inmitten hohen Wellengangs. 18 Menschen konnten gerettet werden.
Bis auf vier Leichen, die geborgen wurden, fehlt Tage später noch jede Spur von den Vermissten. Deren Zahl, so viel wird jetzt klar, ist wesentlich höher als gedacht. An Bord befanden sich laut indonesischen Behörden rund 200 Passagiere – fast fünfmal mehr als erlaubt. Ob sich auch Menschen aus dem Ausland auf der Fähre befanden, war noch unklar.
Das Ausmaß der Katastrophe dämmert den Verantwortlichen in Indonesien erst Tage später, weil weder Bootsbesatzung noch Eigentümer eine Passagierliste führten – und auch keine Fahrkarten verkauften. An Bord gelangte offenbar, wer sich zum Ende des Fastenmonats Ramadan mit dem nötigen Kleingeld für die Besatzung in der Hand auf das Schiff drängte. Indonesiens
Behörden mussten die Zahl der Passagiere in mühsamer Kleinarbeit anhand von Vermisstenmeldungen zusammenstellen. Das Boot war kurz nach dem Kentern gesunken. Die meisten Passagiere dürften ertrunken sein. Sie befanden sich wegen des schlechten Wetters im Inneren des Boots. Inzwischen kennen die Suchmannschaften die genauen Koordinaten der Unglücksstelle. Doch das half bislang wenig.
Hunderte Hilfskräfte beteiligen sich an der Suche, darunter auch Angehörige des Militärs. Sie kämpfen gegen alle erdenklichen Widrigkeiten: Bei dem wechselhaften tropischen Wetter kommt es immer wieder zu schweren Regenfällen und meterhohen Wellen. Zudem sind die Passagiere möglicherweise im Inneren der Fähre eingeschlossen. Der Einsatz könne sich noch lange hinziehen, teilte der Leiter der Rettungseinheit mit.
Mit Überlebenden rechnen die Behörden nicht. „Wir betrachten unsere Bemühungen als Bergungsmaßnahme, nicht als Rettung“, sagt Wanda Ketaren vom nationalen Katastrophenschutz dem Sender CNN. „Es ist einfach zu viel Zeit vergangen.“
Der Toba-See ist nicht nur das größte Binnengewässer des
17 000 Inseln umfassenden südostasiatischen Staats. Er ist auch mit Abstand der tiefste See des Landes. Er befindet sich im Krater eines 2,5 Millionen Jahre alten Vulkans. Als er vor 74 000 Jahren das letzte Mal ausbrach, löschte er einen Teil der Menschheit aus. Er spie damals laut neuesten Schätzungen innerhalb von zwei Wochen rund
2800 Kubikkilometer Asche aus.
Nun hat der Vulkan des Unheils wieder einmal viele Opfer gefordert. Doch viele Indonesier lassen sich von der Schiffskatastrophe nicht abschrecken, den als Ausflugsziel beliebten See aufzusuchen. „Wir wollten unbedingt einmal die Strände hier sehen“, sagt ein Familienvater, der sich mit seiner Frau und seinem Kind an dem See vergnügt, als hätte es kein Unglück gegeben.
Jedes Jahr strömen Tausende von Indonesiern aus Nord-Sumatra zum Ende des Ramadan zu kurzen Ferien an den TobaSee, um sich zu erholen.
Wetter erschwert die Bergungsarbeit