Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Schöngeist in der Gießerei
Sonderausstellung auf der Wartburg in Eisenach thematisiert das Verhältnis des Weimarer Großherzogs Carl Alexander zur Industrialisierung
Im Jahre 1898 malte der Weimarer Historienmaler Hans W. Schmidt den Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach bei einem Besuch in der Eisengießerei Stieberitz in Apolda. Etwas steif, mit weißem Zylinder und langem Rock, steht der Fürst mit seinen Begleitern inmitten schmutziger Arbeiter. Diese haben die Arbeit unterbrochen und schauen zu, wie einer ihrer Kollegen aus glühendem Eisen die geschwungenen Initialen des Besuchers gießt.
Die dargestellte Szene im Stile des bekannten „Eisenwalzwerkes“
(1875) von Adolf Menzel lasse sich historisch zwar nicht eindeutig belegen, sagt Grit Jacobs, Kuratorin der Sonderausstellung „Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie“, die gestern anlässlich des 200. Geburtstages von Carl Alexander (1818 bis
1901) auf der Wartburg eröffnet wurde. Sie zeige aber das ambivalente Verhältnis des Weimarer Herrschers zur Industrialisierung. Der noch zu Lebzeiten Goethes geborene und von diesem zeitlebens beeinflusste und geprägte Schöngeist habe sich wie viele seines Standes schwer getan mit den neuen Entwicklungen, sich dann aber vor allem in den letzten Jahren seiner Regentschaft den Herausforderungen gestellt. In dieser Zeit machte Carl Alexander auch immer wieder Fabrikbesuche. Aufmerksam verfolgte er die aufstrebende optische Industrie in Jena, deren Wachstum und soziales Engagement unter Carl Zeiss und Ernst Abbe ihn beeindruckten. Das Angebot, sich an der Zeiss-Stiftung zu beteiligen, habe er aber abgelehnt, so Grit Jacobs. Die Ausstellung auf der Wartburg in Eisenach ordnet sich ein in das Themenjahr „Industrialisierung und soziale Bewegungen in Thüringen“. Carl Alexander war nicht nur Enkel des aufgeklärten Goethe-Herzogs Carl August und Sohn von Maria Pawlowna, sondern auch buchstäblich aufgewachsen an der Hand Goethes, in dessen Haus am Frauenplan er unbeschwert habe Kind sein können. Mit seiner Gemahlin Sophie prägte er das „silberne Zeitalter“in Weimar. Als Regent fühlte er sich neben Kunst, Kultur und schönen Dingen der Bewahrung des übernommenen Erbes verpflichtet. Dazu gehörte der Wiederaufbau der Wartburg als nationales Denkmal. Früh ließ er die Veste an Wasser und Elektrizität anschließen, Pläne für eine Zahnrad- oder Seilbahn auf den Berg scheiterten aber an hohen Kosten.
An Goethes Hand durch das Haus am Frauenplan
Die Eisenbahn als Motor der industriellen Entwicklung
Von Goethe und den Seinen übernahm der Großherzog das Ethos, dass ein Landesherr seinem Volk dienen soll. Motor der industriellen Entwicklung war auch die Eisenbahn, für die sich Carl Alexander frühzeitig einsetzte. Neben dem Ausbau des Verkehrs schaffte der Abbau von Gewerbeschranken Voraussetzungen für neue Geschäftsfelder. Neben Jena, Neustadt und Eisenach profitierte Apolda von der Entwicklung, Zeitgenossen bezeichnen die Stadt als „Thüringisches Manchester“.
Zu sehen sind in der Ausstellung kunstvoll gearbeitet Zinngefäße und Laden. Einst waren sie Teil der Zunftkultur in Thüringen, bis diese sich im Zuge der völligen Gewerbefreiheit in den 1860ern auflösten und ihre Insignien verkauften. Wie Carl Alexander in den Besitz der bereits zu seinen Lebzeiten in einer Schauküche ausgestellten Schätze kam, lässt sich nur vereinzelt durch Kaufund Schenkungsurkunden belegen. Dass er Zunftzinn und Laden sammelte, spricht nicht nur für seinen Schönheitssinn, sondern auch für sein Interesse an deren Geschichte.
• Die Ausstellung „Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie. Carl Alexander und die Vision von der Schönheit der Dinge. Zum . Geburtstag des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach“ist bis zum . Februar auf der Wartburg in Eisenach zu sehen. Täglich geöffnet vom . Juni bis . Oktober, von . Uhr bis Uhr (letzter Einlass). Führungen immer freitags und auf Anfrage.