Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Brasilien zittert sich zum Sieg
Gruppe E: Erst in der Nachspielzeit erzielt der Favorit gegen Costa Rica die beiden Tore zum 2:0
Es war ein Jubelschrei von echter Sommermärchen-Dimension, der in dieser magischen 91. Minute hinaus auf die aufgewühlte Ostsee wehte. Philippe Coutinho hatte den Ball tatsächlich doch noch ins Tor der armen Costa Ricaner befördert, die Massen im Publikum stürzten übereinander, Brasiliens Trainer Tite sprintete, verlor die Kontrolle über seinen Körper, halb rennend halb stürzend versuchte er dieser Explosion der Gefühle Herr zu werden. Es war ein Gemälde von einem Fußballmoment. „Es gibt eine lange Straße, die wir bereisen müssen, und wir müssen auf dieser Reise wachsen“, sagte Tite poetisch, nachdem er wieder auf den Beinen war.
Wenn nicht alles täuscht, ist Brasilien in diesen finalen Minuten eines zähen, mühevollen Kampfes endgültig in diesem Turnier angekommen. Zumal dieser Sieg ganz am Ende sogar noch mit einem hübschen Schleifchen verziert wurde. Neymar, von dem die halbe Welt Wunderdinge erwartet, der von sich selbst sagt, dies könne sein Turnier werden“, hat dann auch noch das 2:0 erzielt. Das war die Vollendung dieser süßen brasilianischen Minuten der Befreiung. Die „emotionale Komponente“ dieses Erlebnisses sei „sehr stark“, bestätigte Tite.
Als die Nachspielzeit begann, waren allerdings noch keine Tore gefallen, nach dem 1:1 gegen die Schweiz drohte der Mitfavorit auf den Titel erneut sieglos zu bleiben. Das ganze große WMProjekt war in Gefahr, der Sturmlauf der zweiten Hälfte war nicht belohnt worden, und sogar einen Moment tiefer Frustration hatte es für Brasilianer gegeben. Erstmals in der WMGeschichte war ein Elfmeterpfiff durch den Eingriff der Videoassistenten wieder rückgängig gemacht worden. Der Ball hatte schon auf dem Punkt gelegen, die Leute jubelten bereits, als die ernüchternde Botschaft auf der Anzeigetafel erschien: „No Foul. No Penalty.“
Neymar war nach einer leichten Berührung gefallen, die Korrektur der Unparteiischen war richtig, auch wenn die Brasilianer hier anderer Meinung waren. In diesem Moment wirkte der Vorgang tatsächlich wie ein besonders gemeiner Hinterhalt, beinahe, als hätten sie den Elfmeter verschossen. Aber irgendwie haben sie es trotzdem hingebogen. Tief bewegt von dieser Achterbahnfahrt der Gefühle sank Neymar nach dem Spiel auf den Rasen, er weinte Tränen der Rührung, Tränen der Erleichterung.