Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Rennen im Niemandsland
Dieses Wochenende findet in der Formel 1 der Große Preis von Frankreich statt. Vettel kann Prost nach Siegen einholen
LE CASTELLET. Fußball-WM zieht sich, die Formel 1 komprimiert. Drei Rennen an drei Wochenenden hintereinander, das gab es noch nie in der Geschichte der Königsklasse des Motorsports. Eine ungeheure Belastung für Teams und Fahrer, wenn die Karawane durch ganz Europa rast: Der Große Preis von Frankreich am Wochenende macht den Anfang (Sonntag, 16.10 Uhr/ RTL), ehe es nach Österreich und Großbritannien geht. Das Gastspiel zwischen Marseille und Nizza ist das Comeback des Rennjahres und der Grund, warum der
Formel-1-Kalender in diesem Jahr
21 Läufe umfasst.
Dort, wo die Provence in die Cote d’Azur übergeht, eine Rennstrecke auf ein Hochplateau mitten in ein staubiges Niemandsland zwischen Pinien und Oleander zu bauen, ist eine ziemliche Schnapsidee. Und das im Wortsinn: Monsieur Paul Ricard, der sich der Legende nach von einem Schafhirten das Rezept für seinen populären Pastis geben ließ, baute nach seinem Rückzug aus dem Großunternehmen Ende der Siebzigerjahre in Rekordzeit die Rennpiste. Sie trägt, wie der Longdrink, seinen Namen und kann damit immer noch geschickt das Alkoholwerbeverbot in Frankreich umgehen. Dass der Mann, der mit Anis, Fenchel und Lakritz hantierte, viel für die darstellenden Künste übrig hatte, passt ja auch hervorragend zum Motorsport, der manchmal eine Kunstwelt für sich ist.
Der Große Preis von Frankreich ist der älteste der Geschichte, im Mutterland des Motorsports wurde er 1906 zum ersten Mal ausgetragen. Mit Ausnahme von 1955, als die Mercedes-Tragödie in Le Mans das ganze Land lähmte, fand er immer statt, 15 Mal auch in Le Castellet. Doch 2008 endete die große Tradition abrupt. Im absoluten Niemandsland von MagnyCours, einer strukturschwachen Region, die nur über politische Winkelzüge zur internationalen Großveranstaltung gekommen war, ging nichts mehr: kein Geld, kein Interesse, keine Zukunft. Zehn Jahre lang mussten die Franzosen zugucken. Die Idee eines Rennens in Paris: Schöne Idee, aber nicht machbar. Le Mans von Motorrädern und dem Sportwagen-Klassiker belegt. Dann also Le Castellet.
1990 hatte hier der letzte Grand Prix stattgefunden, gewonnen von Alain Prost, dem einzigen französischen Weltmeister. Der Professor markierte damals den 100. Sieg von Ferrari in der Formel 1. Heute ist er Berater von Renault.
Ein Deutscher könnte beim achten Rennen der Saison Prost den Sonntag verhageln: Sollte Sebastian Vettel, der jetzt mit einem Punkt in der WM vor Lewis Hamilton führt, gewinnen, hätte er Prost nach Siegen (51) eingeholt. Ein anderer Deutscher hält wohl den Rekord für die Ewigkeit beim französischen Grand Prix: Michael Schumacher hat ihn acht mal gewonnen, häufiger als jedes andere Rennen.
Beim ersten freien Training legte Hamilton mit der Bestzeit vor. Der 33 Jahre alte MercedesPilot war in 1:32,231 Minuten schnellster Fahrer. Den guten ersten Eindruck der Silberpfeile bestätigte Teamkollege Valtteri Bottas als Zweiter (+0,140 Minuten). Dritter wurde der Australier Daniel Ricciardo im Red Bull (+0,296). Vettel (+0,941) war als Fünfter langsamer als Ferrari-Kollege Kimi Räikkönen
(+0,772). Nico Hülkenberg tat sich beim Heimspiel seines Arbeitgebers Renault als 18. (+
2,762) noch schwer.
Die Fahrer nutzten die Trainingsrunden dazu, sich mit dem unbekannten Kurs vertraut zu machen. Als tückisch erwies sich Kurve sechs, in der mehrfach Boliden Bekanntschaft mit der Auslaufzone machten. Die McLaren-Box funkte von wechselnden Winden vor der MistralGeraden als Ursache für die Probleme vieler Piloten. Unter anderem leisteten sich Räikkönen und McLarens Stoffel Vandoorne einen Dreher, beide Autos blieben unbeschädigt.