Die goldene Pfeife

„Klapperzahns Wunderelf“ist eine alte Geschichte – und das Buch zu dieser FußballWeltmeisterschaft

Es war einmal, und zwar die berühmteste Fußballmannschaft der Welt. Die Jungens hießen alle Klapperzahn, weil sie alle Söhne des alten Klapperzahn waren. Und nur ein einziger Mensch, ein Thüringer!, erfuhr jemals die Ehre, mit „Klapperzahns Wunderelf“trainieren zu dürfen. Jedenfalls ein ursprünglicher Thüringer, jetzt nannten sie ihn Prince of Wales, ein Spross also des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. Als sich der nämlich von seinen Eltern zehn Brüder gewünscht hatte, da resignierte Seine Majestät und bat den alten Klapperzahn, seinen Sohn ins Team zu nehmen. Allerdings, in diesem Team redet kein König mit, vom Kaiser nicht zu reden.

Daran erkennen wir, dass das eine sehr alte Geschichte ist.

Der alte Klapperzahn ist ein Mann, der alles über Fußball weiß – und das seit 1922. Denn in diesem Jahr veröffentliche Eduard Brass in Prag „Klapperzahns Wunderelf“, gewiss eines der wunderbarsten Bücher, das je über Fußball geschrieben wurde. Ein Trainer wie Klapperzahn würde heute zwar jedes Team zum Titel führen, ein Mann fürs Medienzeitalter wäre er nicht. Denn was machte das mit einem Trainer, der die Frage nach seinem Erfolgsrezept wie folgt beantwortet: „Na ja! So ist das halt! Ich hab ihnen halt gesagt: Donnerwetter, Jungs, gebt’s ihnen!“.

Unter all der fröhlichen Heiterkeit ist auch die eine historische Reminiszenz. Als das Buch erschien, 1922, gab es noch keine Weltmeisterschaften, nur die olympischen Turniere. Da hatten zwei Jahre zuvor die Tschechen gegen Belgien im Finale gestanden – und verließen nach 38 Minuten den Platz, sie fühlten sich vom Schiedsrichter benachteiligt und wurden disqualifiziert. Und so lässt Eduard Brass einen tschechischen Großvater das Märchen von der gerechten Pfeife erzählen. Die schenkt ein kleines Männchen im Wald dem Honza, der damit der erste – und letzte – absolut gerechte Schiedsrichter der Welt wird. Es spricht für den Fußballverstand des Autors, dass er diesen Umstand nicht Honzas Augen zuschreibt, sondern dem selbstständigen Wirken der goldenen Pfeife – eine frühe Vorwegnahme der assistierenden Technik.

Einmal spielen die Burschen so, dass 275 spanische Fans vor Ärger platzen. Einen entsprechenden Hinweis für schwedische Fans gibt es leider nicht.

• Eduard Bass: Klapperzahns Wunderelf, Arco Verlag, Wuppertal,  Seiten,  Euro