Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Erdogan gewinnt Wahlen in der Türkei
Staatschef sichert sich eine weitere Amtszeit – die Opposition spricht von Manipulationen
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich zum Sieger der Präsidenten- und Parlamentswahl erklärt. Das Volk habe ihm den Auftrag der Präsidentschaft und der Regierung gegeben, sagte Erdogan am Sonntagabend in Istanbul vor jubelnden Anhängern. Nach Auszählung von 97 Prozent der Wahlzettel führte Erdogan mit einem Stimmenanteil von 52,6 Prozent. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Sie ist die einzige offizielle Quelle für die Auszählungsergebnisse. Mit diesem Ergebnis hat sich Erdogan bereits im ersten Durchgang eine weitere fünfjährige Amtszeit gesichert.
Die größte Oppositionsgruppierung, die Mitte-links-Partei CHP, zweifelte die Zahlen an und sprach von Manipulation.
Der CHP-Kandidat Muharrem Ince kam nach den von Anadolu veröffentlichten Auszählungsergebnissen auf 30,7 Prozent. Auf dem dritten Platz lag der Kurdenpolitiker Selahattin Demirtas mit 8,1 Prozent. Vierte wurde die die nationalistische Politikerin Meral Aksener mit 7,4 Prozent.
Bei der parallel stattfindenden Parlamentswahl musste allerdings die Erdogan-Partei AKP deutliche Verluste hinnehmen. Nach 49,5 Prozent bei der Wahl vom November 2015 kam sie jetzt nur noch auf knapp 42,5 Prozent. Sie eroberte voraussichtlich 293 der künftig 600 Parlamentsmandate und verlor damit ihre absolute Mehrheit. Die mit der AKP im Wahlbündnis „Volksallianz“angetretene ultra-rechte Partei MHP erreichte 11,2 Prozent. Zusammen verfügen beide Parteien danach über 342 der 600 Mandate.
Die Kurdenpartei HDP und die rechtsnationalistische IYIPartei der Präsidentschaftskandidatin Aksener kamen nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen mit elf Prozent beziehungsweise zehn Prozent knapp über die Zehnprozenthürde. Die Wahlbeteiligung lag mit 87,4 Prozent sehr hoch.
Die Wahlen galten als bedeutendste politische Richtungsentscheidung seit Gründung der modernen Türkei im Jahr 1923. Sie markieren den Übergang zum neuen Präsidialsystem, das die Wähler im vergangenen Jahr in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit gebilligt haben. Die neue Verfassungsordnung gibt dem Staatschef eine nahezu unumschränkte Machtfülle. 60 Millionen Türken waren aufgerufen, über den künftigen Kurs ihres Landes zu entscheiden.