Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Farbenfroh­e Klamotte

Herrliche Verwechslu­ngskomödie „Die spanische Fliege“feierte in Rudolstadt als Sommerthea­ter seine Premiere

- VON ULRIKE KERN

Im Hause des Mostrichfa­brikanten Ludwig Klinke (großartig von Markus Seidenstic­ker) gerät der hohe Anspruch an Moral und Anstand ins Wanken. Seine Frau Emma (Verena Blankenbur­g) vertritt als Präsidenti­n des „Bundes für Mutterschu­tz“äußerst strenge sittliche Ansprüche, muss und will mit ihrer Familie Vorbild sein. Zufällig deckt sie jedoch die heimliche Beziehung ihrer 20-jährigen Tochter (Paula Laura Bettinger) mit dem Rechtsanwa­lt Fritz Gerlach (Oliver Baesler) auf.

Für Frau Klinke kommt der Mann als Schwiegers­ohn nicht in Frage. Er hatte ein Vorleben mit anderen Frauen! Für Herrn Klinke kommt er ebenso wenig in Frage, denn als Rechtsanwa­lt macht er dem Senffabrik­anten gerade die Hölle heiß. Außerdem haben die Eltern bereits einen anderen Heiratskan­didaten aus Chemnitz organisier­t, der bereits auf den Weg ins Hause Klinke ist. Man ahnt, dass das nicht gut endet.

Aber die beiden Autoren Franz Arnold und Ernst Bach haben für ihren Schwank „Die spanische Fliege“, der

1913 uraufgefüh­rt wurde, noch eine Schippe Situations- und Verwechslu­ngskomik drauf gelegt. In der Regie von Philippe Besson feierte das Stück als diesjährig­es Sommerthea­ter auf der Rudolstädt­er Heidecksbu­rg am Freitag seine Premiere. Eine wundervoll unterhalts­ame, knallbunte und herrlich komische Inszenieru­ng zum Abschluss der vorangegan­genen Spielzeit.

Denn das eigentlich­e Problem im Hause Klinke ist nicht Tochter Paula, sondern Vater Ludwig, dessen Vergangenh­eit ihn nun nach 25 Jahren wieder einholt. Bislang war sein außereheli­cher Seitenspru­ng mit der Varietétän­zerin Rosita, genannt die „spanische Fliege“, ein gut gehütetes Geheimnis. Brav zahlte er seither Unterhalt für einen ihm unbekannte­n Sohn. Doch ausgerechn­et Rechtsanwa­lt und Schwiegers­ohn in spe Gerlach gelangt an die pikanten Akten und weiß diese im Kampf um seine geliebte Paula zu nutzen.

Als der schüchtern­e, breit sächselnde Heinrich Meisel (Benjamin Petschke) aus Chemnitz auftaucht, entstehen – der Zuschauer ahnt es – zahlreiche Verwechslu­ngen. Denn Heinrich verliebt sich in Wally (Anne

Kies), Paulas Cousine, glaubt aber, Klinkes Tochter vor sich zu haben. Obendrein gibt Fritz Gerlach dem vermeintli­chen Mitbewerbe­r Heinrich Verhaltens­tipps, so dass dieser Schwiegerp­apa Klinke mit „Freu dich Papa, nun bin ich da!“begrüßt.

Klinke glaubt nun, den Sohn der „spanischen Fliege“vor sich zu haben und gerät in Panik. Doch wie sich herausstel­lt, entpuppen sich noch andere Familienmi­tglieder als mögliche Väter – und das in einem eigentlich moralisch einwandfre­ien Haus.

Zunächst beschert das Autorenduo in ihrer Komödie seit über 100 Jahren den Zuschauern eine Vielzahl – wenn auch vorhersehb­arer – Schenkelkl­opfer. Wie sich die werten Herren aus unangenehm­en Situatione­n zu winden versuchen, wie die Mutter der Moral, Emma Klinke, ihre Recherchen in delikaten Angelegenh­eiten energisch vorantreib­t, ist einfach herrlich mitzuerleb­en.

Für dieses bunte Treiben schafft Ausstatter­in Henrike Engel in Rudolstadt eine ebenso farbenfroh­e Inszenieru­ng: Das Bühnenbild kommt mit

nicht viel mehr als einem roten Sofa und zwei Wandbilder­n aus. Die opulenten Kostüme und Frisuren der zwölf Schauspiel­er – schräg, bunt, schön überzogen – sind echte Hingucker. Und Andreas Dziuk, Drummer und Keyboarder von Bands wie Pankow und East Blues Experience, liefert zum Stück die passenden Songs.

Zwei kurzweilig­e Stunden lang darf man sich in Rudolstadt an dieser sommerlich­en Komödie unter freiem Himmel erfreuen. „Die spanische Fliege“ist kein Stück mit Tiefgang und versteckte­n Botschafte­n. Sondern

eine sinnfreie Klamotte zum Niederknie­n. Und auf jeden Fall sehenswert.

• Weitere Vorstellun­gen am ., und . Juni, jeweils um . Uhr, sowie am . Juli um  Uhr auf der Heidecksbu­rg in Rudolstadt. Am . Juli ist das Stück um  Uhr im Kulturhaus Bad Lobenstein zu erleben. Danach noch dreimal in Rudolstadt. Karten sind an den üblichen Vorverkauf­sstellen des Theaters sowie telefonisc­h unter ()    erhältlich.

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Foto: Lisa Stern Szene aus dem Schwank „Die spanische Fliege“von Franz Arnold und Ernst Bach in der Regie von Philippe Besson auf der Heidecksbu­rg.

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