Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Landmaschinen singen wieder
Die Stelzenfestspiele bei Reuth – das Musikfestival mit klingenden Landmaschinen und einem tierschem Solisten
Die Stelzenfestspiele bei Reuth im Dreiländereck von Bayern, Sachsen und Thüringen bleiben ihrem Ruf als Brutstätte neuer Kunstformen treu. Obwohl die Temperaturen gerade einmal zehn Grad Celsius erreichten und das Publikum immer wieder im Regen stand, kamen bis Sonntag mehr als 2000 Menschen in das 180-Seelen-Dorf Stelzen, das zwei Kilometer vom sächsischen Reuth entfernt in Thüringen liegt und von aus Bayern gut sichtbar ist. Auch zur 26. Ausgabe des Festivals konnten die aus ganz Deutschland angereisten Fans ungewöhnliche Konzerte erleben.
Zum Auftakt gab es am Freitag traditionell eine neuen Version der „Landmaschinensinfonie“. Die Musiker um Festivalchef Henry Schneider boten zwei Stunden lang eine originelle Nummernrevue, die stilistisch von Barock bis Jazz reichte und bei Fans vertrautes Instrumentarium wie die „Gülle-Orgel“– eine über Gülleschläuche angeblasene Orgel – eine tönende Melkmaschine oder einen Traktor als Taktgeber nutzte. Nebenbei konnte das Publikum Wissenswertes über das Liebesleben des Regenwurmes erfahren.
Dafür hatte man eigens einen Wurmforscher auf die Bühne geholt, der mit Kamera und einem hochsensiblen Mikrofon ausgestattet die Gäste auf einer großen Leinwand am Leben des Regenwurmes teilhaben ließ. Für den Gaudi gab es viel Beifall.
Der Leipziger Gewandhaus-Bratscher Henry Schneider hatte das Festival 1993 als Reminiszenz an seine vogtländische Heimat gegründet. Als Musiker war er in alle Welt gereist, nun wollte er die Welt in sein Dorf holen. Mit ungewöhnlichen Konzerten erregten die Festspiele schon bald überregional Aufsehen. Selbst Medien aus dem Ausland reisten an und berichteten über das musikalische Treiben in der deutschen Provinz. Allerdings dreht sich in Stelzen nicht alles um Musik, auch Theater, Tanz und Ausstellungen gehören zum Programm. Dass ein ganzes Dorf in die Vorbereitung des Festivals eingebunden ist, gehört gleichfalls zu den Besonderheiten. Die Frauen von Stelzen backen Unmengen von Kuchen, andere Einwohner stehen am Grill oder an Bierwagen und manchmal sogar selbst auf der Bühne. Auch Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke), war des Lobes voll: „Wir sind hier mitten im Leben.“Aus dem Festival sei eine Bewegung geworden, die alle mitreiße und niemanden ausschließe: „Thüringen ist stolz auf sie“, sagte Ramelow den Dorfbewohnern. (dpa)