Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Was von Südkorea zu erwarten ist
Gruppe F: Deutschland trifft im letzten Vorrundenspiel auf einen Gegner, der sich noch nicht aufgegeben hat
Als erstes kamen die Verletzten. Zunächst humpelte Südkoreas Kapitän Sung-Yueng Ki auf Krücken durch die Katakomben des Stadions von Rostow am Don. Dann kam Mittelfeldmann Sejong Ju aus der Kabine, der ebenfalls gestützt werden musste. Und erst ganz am Ende, just in dem Moment, als auf den Bildschirmen im Bauch des Stadions der Anpfiff von Deutschland gegen Schweden gezeigt wurde, folgte Topstar Heung-Min Son mit gesenktem Haupt.
Eine Verletzung hatte der frühere Bundesligastürmer vom Hamburger SV und von Bayer Leverkusen nicht erlitten. Aber man spürte schnell, dass Südkoreas 1:2 gegen Mexiko dem Star der „Red Devils“sehr viel mehr als jedes mögliche Wehwehchen schmerzte. „Ich bin sehr, sehr traurig“, sagte der Profi von Tottenham Hotspur mit einer demütiger Verbeugung. „Ich bin ich einfach nur traurig, dass wir besser gespielt haben, mehr Chancen hatten, uns aber nicht belohnen konnten.“
Theoretische Möglichkeit aufs Achtelfinale
Tatsächlich erspielte sich Südkorea bei Temperaturen jenseits der 30 Grad in Rostow am Don gegen Deutschlandbezwinger Mexiko ein veritables Chancenplus, woraus die Asiaten allerdings kaum Kapital schlagen konnten. „Bis zum 0:1 haben wir gut gespielt“, haderte Son. „Und dann bekommen wir so einen unglücklichen Handelfmeter.“
Unterm Strich stehen nun zwei Pleiten. Es gibt nur noch eine sehr theoretische Möglichkeit, doch noch ins Achtelfinale einzuziehen: Südkorea müsste gegen Deutschland gewinnen und gleichzeitig auf eine Niederlage von Schweden gegen Mexiko hoffen. Natürlich sei das unwahrscheinlich, räumte Son ein. Aber: „Wir geben trotzdem nicht auf. Wir kämpfen, bis es Südkoreas Star: Heung-Min Son (rechts) gegen Mexikos Hector Moreno.
nicht mehr weiter geht.“Und genau diese Mentalität ist es, die Deutschland am Mittwoch durchaus vor Probleme stellen kann. „Wir werden bis zum letzten Abpfiff kämpfen“, kündigte auch Sons Offensivpartner HeeChan Hwang an.
Dem Torjäger aus Salzburg, der gegen Mexiko keinen Sahnetag erwischte, wird das größte Entwicklungspotenzial in Koreas Kader nachgesagt. Im Frühjahr soll sich Borussia Dortmund
nach dem 22-Jährigen erkundigt haben. Zuletzt hatte auch RB Leipzig Interesse angemeldet. Dass nun Hwang die Partie gegen Deutschland nutzen könnte, um Werbung in eigener Sache zu betreiben, wollte der pfeilschnelle Stürmer so allerdings nicht stehen lassen: „Natürlich will ich mein Bestes geben. Es geht aber nicht um mich.“
Es geht viel mehr um die Ehre der Nation. In Rostow am Don
war Präsident Moon Jae In sogar höchstpersönlich vor Ort. Wer aber die Historie des Verbandes verfolge und die koreanische Mentalität kenne, der wisse, dass man als Trainer jederzeit mit Konsequenzen zu rechnen habe, sagte Ex-Nationaltrainer Uli Stielike im Interview mit der „Bild am Sonntag“. Der Trainer wurde im vergangenen Jahr trotz einer überdurchschnittlichen Siegquote von 67 Prozent entlassen und durch Tae-Yong Shin ersetzt. „Ich war zwei Jahre und neun Monate dort – und war damit der dienstälteste Trainer der letzten 50 Jahre“, sagte Stielike. „In Korea muss sofort, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft, ein Schuldiger präsentiert werden.“
Freude auf Partie gegen die Wahlheimat
Tatsächlich wurde der Ton nach der Partie gegen Mexiko bereits rauer. Stielikes Nachfolger Shin, der wie ein asiatischer Zwillingsbruder von Joachim Löw daher kommt, musste in der Pressekonferenz nach dem Spiel eine Reihe von Fragen zur Taktik und Einstellung seiner Mannschaft über sich ergehen lassen. „Wir haben ein Spiel gespielt, das wir trotz der Niederlage nicht bereuen müssen“, wehrte Shin in bester Löw-Manier ab.
Denn während die Offensive um Son und Hwang Potenzial nachgesagt wird, gilt Südkoreas Defensive als größter Schwachpunkt – insbesondere nach den Verletzungen der beiden defensiven Mittelfeldspieler Ki und Ju.
Schwerer als die körperlichen Nachwirkungen aus der Partie gegen Mexiko dürften die mentalen Nachwirkungen ins Gewicht fallen. „Wir müssen unseren Kopf bis Mittwoch wieder frei bekommen. Das wird gar nicht einfach sein“, sagte Son, für den der wunderschöne Ehrentreffer auch kein Trost war. „Es ist ein schwerer Moment für die ganze Mannschaft.“
Die Freude auf die Partie gegen seine alte Wahlheimat („Ich bin ein Deutschland-Fan“) will sich der mehrfache asiatische Fußballer des Jahres allerdings nicht nehmen lassen. „Man spielt ja nicht oft im Leben gegen so eine tolle Mannschaft wie Deutschland“, sagte Son. Gegen Mexiko habe Deutschland zwar nicht überragend gespielt, „aber für mich ist Deutschland noch immer die Nummer eins der Welt. Deutschland kann noch immer diese WM gewinnen“.