Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Die Halbstarken sind zu Männern gereift
Gruppe G: Belgien demontiert Tunesien mit 5:2 und spielt nun am Donnerstag gegen England um den Gruppensieg
Hinterher ging es schnell wieder um jene Frage, die die Belgier schon seit Jahren begleitet, die aber bisher nie eine sportlich zufriedenstellende Antwort fand. Als gar nicht so geheimer Geheimfavorit war die prominent besetzte Mannschaft bereits 2014 zur WM nach Brasilien und 2016 zur EM nach Frankreich gereist. Doch jeweils schied sie im Viertelfinale aus. Nun aber scheint die Mannschaft tatsächlich mit Schärfe, Fokussierung und vor allem taktischen Reife ausgestattet zu sein, die nötig sind, um nicht ein ewiges Versprechen zu bleiben.
Die Antwort auf die Frage, ob die Belgier sich selbst als Geheimfavoriten oder gar Favoriten auf den Titelgewinn in Russland wahrnehmen, fiel bei Trainer Roberto Martínez nach dem spektakulären 5:2 (3:1) gegen Tunesien am Samstag ähnlich gewieft aus, wie er seine Elf agieren lässt. Der Spanier sagte: „Jeder darf seine Meinung haben. Aber um Favorit sein zu können, musst du wissen, wie man eine WM gewinnt.“Das kann Belgien nachweislich nicht von sich behaupten, also stellt sich die Favoritenfrage dieser These zufolge nicht. So kann man sich auch aus der Affäre ziehen.
Trainer Roberto Martínez übernahm die Mannschaft im August 2016. Nun lehrt der smarte 44-Jährige einen Stil, der trotz seiner offensiven Anlage nicht als Hurrafußball daherkommt, sondern auf der Basis der Vernunft vorgetragen werden soll. Er sieht seine Mannschaft weiterhin „in einem Prozess“. Doch wenn der Eindruck nicht täuscht, sind aus den halbstarken Belgiern inzwischen gereifte junge Männer geworden. Sie kommen nicht mehr wie hochveranlagte, aber draufgängerische Fahranfänger daher. Sondern man scheint ihnen eine lange Reise durch Russland zuzutrauen zu können.
Gegen Tunesien ließ sich sehr gut erkennen, warum dieser Mannschaft attestiert werden darf, dass sie zumindest über die nötigen Zutaten verfügt, um noch länger dabei zu bleiben. Fünf Tore hatte sie geschossen, womit die Tunesier sogar glimpflich davongekommen waren. Allein der erst in der 68. Minute eingewechselte Michy Batshuayi, zuletzt bei Borussia Dortmund aktiv, hätte es nach Großchancen auf ein halbes Dutzend Treffer bringen können. Doch auch so genügten die beiden Doppelpacks von Kapitän Eden Hazard (6., FE/51.) und Romelu Lukaku (16./45.+3) sowie das Tor des doch noch belohnten Batshuayi (90.), um die Belgier als bisherige Topattraktion dieser WM wahrzunehmen.
Das Achtelfinale betrachteten die Belgier danach als gebucht. Im letzten Gruppenspiel gegen England am Donnerstag geht es um Platz eins in der Gruppe G. Lukaku und Hazard winkt dann eine Pause: Lukaku bekam gegen Tunesien einen Schlag auf den Knöchel, Hazard klagte über Wadenschmerzen.