Thüringische Landeszeitung (Jena)
Zeitzeugen bezweifeln Selbsttötung
Im Todesfall Matthias Domaschk vor fast 36 Jahren soll es nun weitere Untersuchungen geben
JENA/GERA/ERFURT. Die Todesumstände des Jenaers Matthias Domaschk am 12. April 1981 im Stasi-Untersuchungsgefängnis Gera aufzuklären, ist das wichtigste Ziel der Arbeitsgruppe „Tod von Matthias Domaschk“, die sich am 3. März ein weiteres Mal in der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt getroffen hat, wie erst jetzt mitgeteilt wurde.
Im Mittelpunkt stand die Befragung von Zeitzeugen, welche die 1981 offiziell festgestellte Todesursache – Domaschk soll sich durch Erhängen in der Untersuchungszelle selbst das Leben genommen haben – erheblich in Zweifel ziehen. Es soll nun weitere Untersuchungen, unter anderem durch Kriminaltechniker geben, die die Selbsttötungsthese einer neuen Würdigung zu unterziehen. Bisher plant die Arbeitsgruppe, ihre Ergebnisse am 12. Juni mit einem Bericht abzuschließen, der in einem würdigen Rahmen abgegeben werden soll. An jenem Tag wäre Domaschk 60 Jahre alt geworden.
Der Tod von Matthias Domaschk wirft seit Jahrzehnten Fragen auf. Ende Dezember 2014 forderte Renate Ellmenreich, die Lebensgefährtin von Matthias Domaschk, zusammen mit ihrer Tochter Julia Bodo Ramelow als neuen Ministerpräsidenten Thüringens auf, sich bei der „Aufarbeitung von Unrecht in der DDR“auch den ungeklärten Todesfällen zu stellen. Ramelow initiierte daraufhin die Bildung der Arbeitsgruppe „Tod von Matthias Domaschk“, die sich am 5. März 2015 in der Staatskanzlei konstituierte.
Der AG gehören neben Ellmenreich, Christian Dietrich als Landesbeauftragtem zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Vertretern der Staatskanzlei an: Peter Rösch, Freund und Mitinhaftierter von Domaschk, der Historiker Henning Pietzsch und der Rechtsanwalt Wolfgang Loukidis.
Seit März 2015 hat es sechs weitere Treffen gegeben. Ein Zwischenbericht wurde am 12. April 2016 anlässlich des 35. Todestags von Matthias Domaschk vorgelegt. Am 16. April 2016, dem Jahrestag der Beisetzung, fand eine Gedenkfeier an seinem Grab auf dem Nordfriedhof in Jena statt, an der neben der Familie, Freunden und Weggefährten auch Ministerpräsident Ramelow teilgenommen hat. Domaschk wurde als evangelischer Märtyrer des 20. Jahrhunderts durch die evangelische Kirche anerkannt.
Erkenntnisse zu den Geschehnissen in der Stasi-U-Haft und in der Gerichtsmedizin werden auch daraufhin untersucht, ob es eine Handhabe für eine erneute Wiederaufnahme des Strafverfahrens gibt. Die Arbeit der AG wird zudem filmisch dokumentiert. Die Arbeit der AG wurde im vergangenen Jahr von der Staatskanzlei mit 12000 Euro gefördert. Der Abschlussbericht soll durch die Landeszentrale für politische Bildung veröffentlicht werden.