Thüringische Landeszeitung (Jena)
Krisenkommunikator Poppenhäger
Der Mann hat trotz allem seinen Humor nicht verloren.
Wer in dieser Woche ins Foyer des Thüringer Innenministeriums an der Steigerstraße kam, der wurde nicht von Ressortchef Holger Poppenhäger begrüßt, sondern (vom Funfaktor um einiges höher) von den Pressemitteilungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die dort zentral dem Besucher ins Auge sprangen.
Wer diese Schreiben an so exponierter Stelle hängen lässt, der nimmt entweder seine Kritiker nicht sonderlich ernst und kann als Hausherr wirklich über sich selber lachen, oder der hat einfach nur schon lange nicht mehr den Haupteingang benutzt. Denn dort ist zu lesen: „Innenminister verwehrte heute der
GdP ein Gespräch“, „Dr. Holger Poppenhäger, SPDInnenminister Thüringens, denunziert die Gewerkschaft der Polizei“oder „Erklärungen des Staatssekretärs gleichen einem Schlag ins Gesicht der Polizeibeschäftigten“.
Es ist eben immer schön, wenn man gleich beim Betreten einer so wichtigen Großbehörde (die ja auch für die Sicherheit der Menschen sorgen soll) weiß, dass die Stimmung bombig ist und die Mitarbeiter dementsprechend über alle Maßen motiviert sind. Und natürlich, dass der Chef etwas von Krisenkommunikation versteht. Motto: Nichts wird totgeschwiegen, hier darf jeder alles sagen.
Und weil Poppenhäger ein derartiges Verkaufsgenie von schlechten Nachrichten ist, hatte er am Mittwoch mal wieder zu einer Pressekonferenz eingeladen. Mitten in den Osterferien macht man damit vor allem Journalisten eine Freude, die zu dieser Zeit sonst gerne über eine gewisse Meldungsarmut klagen.
Also setzte sich der Minister auf einen Stuhl und fing an, über die in ihrer Genialität nicht mehr zu übertreffenden Neuerungen der Gebietsreform zu referieren: Weimar und Gera bleiben kreisfrei, und im Norden und Süden schneidern wir mal ohne ersichtlichen Grund ganz ausgefallene Strukturen ... Seinen Pressesprecher hatte Poppenhäger sicherheitshalber ausgetrickst, sodass dieser einen Großteil der Ausführungen des Ministers verpasste – was ihn kaum gegrämt haben dürfte. Parteifreunde und Koalitionspartner hatten nur kurz vor der Öffentlichkeit von Poppenhägers Coup erfahren. Und die Ideen, die sie vernahmen, ließen bei den meisten die Urlaubslaune schier durch die Decke gehen.
Der einsame Poppenhäger passte dabei zum sich am frühen Abend in der Staatskanzlei äußernden linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der wie immer sehr eloquent aber ebenso verloren wirkte.
Geschlossenheit in einer Koalition sieht anders aus.
Regierungssprecher Günter Kolodziej dürfte wohl nur aus einem einzigen Grund darauf verzichtet haben, sich die Haare zu raufen (Wer ihn nicht kennt: Foto einmal mal googeln).
Man fragt sich unweigerlich: Was hat Poppenhäger geritten, nicht nur immer mehr Bürger, sondern nun auch noch den Großteil der rotrotgrünen Koalitionäre gegen sich aufzubringen? Er stellt seine Partner vor vollendete Tatsachen oder bei wichtigen Einwänden die Ohren auf Durchzug. So kann man als Teenager gegen seine Eltern pubertieren, aber nicht die größte Reform seit Jahrzehnten zum Erfolg führen.
Natürlich gibt‘s Sozialdemokraten, die sagen: Der Schuldige sei Ramelow. Der habe im VierAugenGespräch mit Poppenhäger das Oberhemd ausgezogen, die Muskeln spielen lassen (Bilder im Kopf) und auf der Karte der Wirtschaftskammern bestanden. Poppenhäger soll daraufhin eben auch noch ein bisschen was verschlimmbessert haben. Kam ja eh nicht mehr drauf an.
„Eine Gebietsreform gewinnt man nicht in Weimar vor dem Verfassungsgerichtshof, sondern in den Herzen der Menschen“, klagte jüngst ein Koalitionär.
Der Mann hat es tatsächlich verstanden ...
TLZLandeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per EMail unter e.otto@tlz.de