Thüringische Landeszeitung (Jena)
Nachhaltig Nasebohren
Launige Anmerkungen zu einem Wort, mit dem Schindluder getrieben wird
WEIMAR. Im Wettbewerb der Worthülsen um die hohlste Phrase spielt sie ganz vorne mit: Die Nachhaltigkeit. Das Flittchen unter den leichten Worten. Sie macht’s mit jedem, der nicht wissen will, wer sie ist.
Eigentlich stammt sie ja aus dem guten Hause der sächsischen Forstwirtschaft. Ihr Opa von Carlowitz aus Freiberg meinte noch, man solle von seinen Lebensgrundlagen nicht mehr entnehmen, als nachwächst. Ihre Mutter Brundtland war der Ansicht, unser Leben solle den Bedürfnissen der heutigen Generation entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden. Und Tante Uno hat ihr in guter pädagogischer Absicht kürzlich 17 Ziele gesetzt. Wohlklingend allesamt.
Sie aber mit ihren Schwestern Zukunftsfähigkeit, Achtsamkeit, Gerechtigkeit und anderen willigen Worten, beschloss im Sprachbordell anzuheuern und niemanden abzuweisen, der sie gebrauchen will. Nachhaltiges Wachstum, nachhaltig Nasebohren, nachhaltige Produktion, nachhaltiger Müll, nachhaltige Mobilität, nachhaltige Wirtschaft, nachhaltiger Konsum und wie die Freier alle heißen.
Man ist versucht, eine Gesetzesinitiative zum Verbot des Wortes Nachhaltigkeit auf den Weg zu bringen: „Wer das NWort
fahrlässig, irreführend und weichspülend in der Öffentlichkeit verwendet, wird mit einem Blick in die Augen seiner Enkel nicht unter fünf Minuten bestraft. In besonders schweren Fällen bis zu zehn Minuten in die Augen seiner Kinder.“Ausnahmegenehmigungen zur Verwendung
des N-Wortes sind schriftlich beim Kolumnisten zu beantragen, der Mitglied des Thüringer Nachhaltigkeitsbeirates ist (Noch unsicher, ob es sich dabei um eine Ehre handelt, oder ob das etwas peinlich ist.)
Ach, und jetzt wollen Sie noch wissen, ob Nasebohren nachhaltig ist? Eindeutiges Ja! Bis zum Beweis des Gegenteils. Mindestens neun von zehn möglichen Punkten. Nur einen nennenswerten Beitrag zur Welternährung sollte man sich davon nicht versprechen.
„Man ist versucht, eine Gesetzesinitiative zum Verbot des Wortes Nachhaltigkeit auf den Weg zu bringen.“Nikolaus Huhn, Beiratsmitglied
Nikolaus Huhn gehört dem Nachhaltigkeitsbeirat der Landesregierung an. Von ihm stammt das Buch „Thüringen in kleinen Schritten – Notizen vom Hörenden Fußmarsch“, das im Mitteldeutschen Verlag erschienen ist.