Thüringische Landeszeitung (Jena)
Warten, dass das Gatter umfällt
Für Sally Böde aus Ruttersdorf beginnt heute mit dem Start in der Damenklasse im CrossCountry in Triptis die Saison
RUTTERSDORF/TRIPTIS. Der Start sei das Entscheidende. (Fast) alles würde von ihm abhängen. Während der noch ausstehenden Sekunden sei sie wie im Tunnel. Alles um sie herum habe sie ausgeblendet, ihre gesamte Aufmerksamkeit sei dem vor ihr liegenden Gatter gewidmet, welches jeden Moment umfallen könnte. Sie würde es regelrecht fixieren. Augenblicke unfassbarer Anspannung. „Du wartest nur darauf, dass endlich das gottverdammte Gatter umfällt. Und dann musst du reagieren – und zwar so schnell wie nur möglich“, berichtet Sally Böde aus Ruttersdorf bei Stadtroda, die heute im Cross Country in der Damenklasse in Triptis starten wird.
Mit 13 Jahren saß sie das erste Mal in ihrem Leben auf einer Cross-Maschine, was laut Sally Böde jedoch relativ spät gewesen sei. Dabei war ihr die Materie als solches nicht gänzlich neu, wuchs sie doch quasi mit Motorrädern auf, da ihr Vater Michael sowie ihr Bruder David sich intensiv dem Motorsport widmeten. „Es gab da kein Schlüsselerlebnis, ich bin damit aufgewachsen und eines Tages habe ich dann das Bedürfnis gehabt, mich auch einmal auf ein solches Motorrad zu setzen“, berichtet Sally Böde.
Bis dato war sie mit ihrem Vater und ihrem zehn Jahre älteren Bruder zwar permanent auf Achse, habe sie stets an den Wochenenden zu den Rennen begleitet und ihnen beim Fahren und auch beim Schrauben an den Maschinen zugeschaut, doch eben kein Bedürfnis gehabt, selbst einmal ein solches Gefährt zu lenken. Bis eben zu jenem Tag. „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich dann doch auf einmal fahren wollte“, sagt Sally Böde, die nach dem Abitur in Stadtroda an der Fachhochschule in Jena Pharma-Biotechnologie studierte und demnächst ihre Promotion anstrebt.
Nein, die 25-Jährige bricht nicht gerade in Euphorie aus, wenn sie denn über ihr sportliches Hobby spricht. „Ich kannte das ja irgendwie allles. Es war ja nicht so, dass ich da eines schönen Tages etwas gänzlich Neues gesehen hätte, was dann alles bei mir verändert hat.“
Aber natürlich, Spaß würde es allemal machen, zumal es keine Routine gebe, schließlich habe jede Rennstrecke so ihre Tücken. Angefangen beim Boden, der mal hart oder weich, staubig, trocken, nass oder gar schlammig daherkomme. Stichwort: Wetter.
Und dann wäre da eben der Adrenalinkick ein ums andere Mal kurz vor dem Start. „Der kommt immer wieder. Der geht nie weg.“
Erste Runden auf einem Feld gedreht
Auf einem Feld in Ruttersdorf hinter dem Haus der Eltern, wo Sally Böde auch heute noch wohnt, drehte sie ihre ersten Runden mit einer MotocrossMaschine. Der Herr Papa fackelte dann auch nicht lange und erwarb für seine Tochter ein entsprechendes Gefährt. Es sei dann alles recht schnell gegangen. Beizeiten habe sie die Wiese hinter dem Anwesen der Eltern gegen die eigentlichen Cross-Strecken eingetauscht. Bevorzugt gegen jene in Großlöbichau, Triptis oder Mattstedt.
Auch das erste Rennen ließ dann nicht lange auf sich warten. Noch im selben Jahr, wir schreiben 2005, habe sie sich erstmals mit der Konkurrenz gemessen. Es sollte der erste von zahlreichen Wettkämpfen in Sachen Motocross sein.
Höhepunkte waren für sie die Teilnahmen an den Weltmeisterschaften 2013 in Slowenien sowie 2014 in Italien und Frankreich. „Da lag ich am Ende im Mittelfeld, darauf kann ich stolz sein und werde die Teilnahme daran auch nie vergessen.“2010 und 2011 konnte sie zudem Europameisterin bei den Damen im Cross-Country werden.
Voraussetzung für die Teilnahme an einer WM sei neben dem entsprechenden Talent auch eine B-Lizenz, für die man unter anderem auch einen Sehtest bei einem Augenarzt nachweisen müsse. Und dergleichen würde dann auch etwas Geld kosten. Genauer mehrere hundert Euro. Die C-Lizenz, mit der man an den regionalen Meisterschaften teilnehmen kann, sei da schon etwas preiswerter. Mit 80 Euro ist man dabei. Derzeit verfügt Sally Böde über keine BLizenz.
Für ihren Körper sei der Sport bisweilen eine Tortur, gerade die Gelenke würden doch ordentlich beansprucht werden und auch Verletzungen würden schlichtweg dazugehören. Sally Böde berichtet von einem ausgekugelten Ellenbogen nach einem Sturz oder einem gebrochenen Schlüsselbein. Für die quasi Regeneration und auch zur Ergänzung gehe sie hin und wieder joggen oder schwimmen, doch generell sehe sie das Ganze nicht zu verbissen, denn letztendlich sei eben der Spaß das entscheidende Element bei dem Motocross-Unterfangen.
Fragt man Sally Böde, was man denn für den Sport als Rüstzeug mitbringen müsse, beschwört sie keine Sport-Floskeln der Marke Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen oder dergleichen. Nein, wie aus der Pistole geschossen verweist sie auf einen ganz anderen, aber äußerst existenziellen Aspekt: das liebe Geld. Es sei ein teures Hobby, Sponsoren hat sie keine, obwohl, das will sie so nicht stehen lassen, einen würde es ja doch geben. „Mein Vati ist mein Sponsor“, sagt Sally Böde und muss dabei auch ein wenig lachen. Ohne ihn sei das alles nicht möglich. „Mit Motocross kannst du hier kein Geld verdienen – nur Geld verlieren“, sagt Sally Böde. Für das große Geld müsse man gen Übersee, genauer in die USA, so wie einst Ken Roczen aus Mattstedt. Eine Maschine, derzeit fährt sie eine KTM 350 SX-F, würde um die 8000 Euro kosten, dazu geselle sich pro Rennen mindestens ein Satz reifen, Startgeld müsse man natürlich auch zahlen, ganz zu schweigen von den eigentlichen Fahrtkosten, schließlich sind die Rennen über die ganze Republik verteilt.
Motocross sehr teures Hobby
Von Frühjahr bis Herbst ist sie mit ihrem Vater im Wohnmobil unterwegs. „Wir sind ein eingeschworenes Team“, sagt Sally Böde. In gewisser Weise sei es gar kein Sport, vielmehr sei es für sie fast schon ein Lifestyle. Vater Michael würde sich dann auch um alle technischen Belange kümmern. „Da kenn ich mich nicht wirklich aus. So ein paar leichte Sachen kann ich auch erledigen, doch im Großen und Ganzen ist mein Vater dafür verantwortlich.“
Für das Rennen heute in Triptis, das sich über zwei Stunden erstrecken wird, stapelt Sally Böde im Vorfeld tief. „Es ist das erste Rennen der Saison, da sollte man etwas vorsichtig sein. Man weiß nie, was einen erwartet“, so Sally Böde und verweist auf den Umstand, dass sie ja nicht wissen könne, was denn die Konkurrenz den Winter über so getrieben habe und ob denn womöglich auch neue Fahrer heute zugegen sein werden. Nichtsdestotrotz strebt sie heute einen Platz auf dem Treppchen an.
Ja, so manches sei beim ersten Rennen der Saison naturgemäß etwas ungewiss. Eines jedoch wird wohl so sicher sein wie das Amen in der Kirche: die Anspannung samt Adrenalinkick. Und natürlich auch das Warten darauf, dass endlich das gottverdammte Gatter umfällt.