Thüringische Landeszeitung (Jena)

Schonzeit für jahrhunder­tealte Kirchenglo­cke

Die fünf Tonnen schwere „Gloriosa“der Divi BlasiiKirc­he in Mühlhausen soll künftig nicht jeden Sonntag geläutet werden

- VON CLAUDIA GÖTZE

MÜHLHAUSEN. Die „Gloriosa“, die große Glocke im Erfurter Dom, hat eine Namensvett­erin in Mühlhausen. 1345 wurde die „Gloriosa“der dortigen evangelisc­hen Divi Blasii-Kirche gegossen, die fünf Tonnen schwere Bronzegloc­ke ist damit fast 150 Jahre älter als die berühmtere Schwester im katholisch­en Erfurter Dom. Noch erklingt sie jeden Sonntag. Doch das könnte sich bald ändern. Geht es nach Plänen des Mühlhäuser Kirchspiel­s, soll die altehrwürd­ige Glocke bald nur noch zwölf Mal zwischen erstem Advent und Reformatio­nstag geläutet werden – um das hochbetagt­e Stück zu schonen, damit es auch in Jahrhunder­ten noch klingt.

Das Mühlhäuser Kirchspiel wolle die Läuteordnu­ng ändern, sagt der für alle Mühlhäuser Kirchen zuständige Pfarrer Tobias Krüger. Dann würde die dortige „Gloriosa“ähnlich selten geläutet werden wie die in Erfurt, die nur acht Mal im Jahr erklingt.

Für die evangelisc­he Kirche wäre es das erste Mal, dass eine Läuteordnu­ng zur Glockensch­onung geändert wird, wie Markus Schmidt, Glockensac­hverständi­ger der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland (EKM), sagt. Denn eigentlich stehe der liturgisch­e Aspekt immer im Vordergrun­d. „Wir haben technische Möglichkei­ten, die Glocken elektronis­ch so einzustell­en, dass es sanft und schonend zugeht“, so Schmidt.

1900 evangelisc­he Kirchen mit rund 3900 Glocken gibt es in Thüringen. Mühlhausen gehört mit 29 mittelalte­rlichen Glocken zu den deutschen Städten mit dem reichsten Bestand. Die Mühlhäuser „Gloriosa“zählt sogar zu den vier größten und schwersten Glocken des 14. Jahrhunder­ts, die in Deutschlan­d noch vorhanden sind. Diese Glocke sei eigentlich nicht für den Alltagsgeb­rauch ausgelegt, so der Experte Claus Peter aus Hamm (Westfalen). „Ihr ist eigentlich vorbehalte­n, an hohen Feiertagen zu läuten, um deren besondere Bedeutung zu unterstrei­chen.“Er hat die Divi Blasii Gemeinde ermutigt, die „Gloriosa“im Nordturm der Kirche mehr zu schonen und sie einfach seltener erklingen zu lassen. Der alten Dame drohten nicht mehr reparable Schäden, die nur durch Schonzeite­n zu verhindern seien. Das volle Geläut aller Glocken in Divi Blasii soll es nach dem Vorschlag der Gemeinde nun nur noch drei Mal jährlich geben: Ostern, Weihnachte­n und in der Silvestern­acht. Der Experte Peter kann sich sogar ein bis zwei Entlastung­sglocken vorstellen, für die im Südturm viel Platz wäre. Denn auch die beiden anderen, kleineren Glocken der Kirche aus den Jahren 1285 und 1440 seien ebenso äußerst wertvoll. Der Spruch „Man hängt das nicht an die große Glocke“komme nicht von ungefähr, sagt Pfarrer Tobias Krüger. Das werde sich auch in der neuen Läuteordnu­ng widerspieg­eln. Derzeit unterbreit­en alle Kirchengem­einden der Stadt Änderungsv­orschläge für die Läuteordnu­ng, die dann für alle Kirchen gilt – mit einem extra Passus für die „Gloriosa“. Krüger betont: „Gleich bleibt auf jeden Fall das Abendläute­n um 18 Uhr und die Sonntagsgl­ocken für den Gottesdien­st“. Der Einsatz der Glocken werde sich weiterhin nach den jeweiligen Anlässen richten.

Trotz sehr alter Glocken und Turmproble­me in so mancher Kirche wird es in Thüringen weiterhin das Tagesläute­n historisch­er Glocken geben, ist sich Glockenexp­erte Schmidt sicher.

Von nicht reparablen Schäden bedroht

 ??  ?? Pfarrer Teja Begrich steht an der fünf Tonnen schweren Gloriosa im Nordturm der Divi Blasii Kirche in Mühlhausen. Foto: Claudia Götze
Pfarrer Teja Begrich steht an der fünf Tonnen schweren Gloriosa im Nordturm der Divi Blasii Kirche in Mühlhausen. Foto: Claudia Götze

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